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40 B u c h XII. Kap. 1. §. 4,
den, der ihm wirklich zukommt, streitig machen. Besser, wir weisen,
was ihm nicht gebürt, sogleich zurück. Roger Bacon kenne
ich zu wenig, um mir ein eigenes Urtheil über ihn anmaassen zu
dürfen. Zudem kommt er, da er die Botanik nicht einmal berührte,
hier nicht in Betracht. Albert den Grossen kenne ich so ziemlich,
und achte ihn überaus hoch; allein einen Versuch, den er angestellt
iiätte, in der sich klar bewussten Absicht, und jnit den zweckmässigsten
der ihm zu Gebot stehenden Mittel, um ein physiologisches
oder physikalisches Problem zu lösen, kenne ich nicht;
seine Bücher von den Pflanzen enthalten sicher nicht einen einzigen
Und gleichwohl, ich wiederhole es, ragten in mehr als zwei
Jahrtausenden kaum drei Botaniker über ihn hinaus. Ja noch
mehr: von Aristoteles, dem Schöpfer wissenschaftlicher Botanik
bis auf seine Zeit, sank diese Wissenschaft je länger, desto tiefer:
mit ihm erstand sie wie der Phönix aus seiner Asche. Das, nieine
ich, ist des Ruhms genug, und diesen Kranz soll ihm niemand
entreissen.
Ich gebe nun in diesem Paragraph zunächst die Ueberschriften
der fünf ersten Bücher und der darin enthaltenen Tractate und
Kapitel, wie sie den Handschriften nach von Albert selbst herrühren,
bald sie allein, bald mit kürzern oder längern Auszügen,
auch wohl Urtheilen und andern Bemerkungen durchwebt.
Líber primus.
D e vegetabilibus.
T r a c t a t u s primus.
A n p lant a vivat?
C a p u t 1, et est digressio, declarans modum et ord
i n e m et ma t e r i a m hujus libri. — Alberts Commentar zu
des Aristoteles Büchern von der Seele war vorausgegangen; an
diesen knüpft er die Untersuchung über die Natur der Pflanze an.
Denn die Seele sei das vornehmste Princip (potissimum
principium. Cod. Basil.) der Erkenntniss aller besondern lebendigen
Körper und ihrer Theile, gleichsam die Künstlerin, welche in ihnen
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die Form und Mischung bewirke. Drei Stufen aller lebenden
Körper werden darauf unterschieden: Vegetabilia, Sensibdia, Rationabiha,
indem die Empfindenden auch an der Vegetation, die
Vernünftigen an der Vegetation und Empfindung, kurz jede höhere
Stufe an den Vorzügen der niedern Antheil nehme Dieser Stufenleiter
müsse die Untersuchung folgen, und zwar bei den Pflanzen
ausgehend vom L ebe n derselben; denn das sei das allen
Pflanzen Gemeinsame. - Nun folgt in den nächsten sieben Kapiteln,
die ich übergehe, die Untersuchung des Pflanzenlebens ganz
nach den Andeutungen des vermeinten Aristoteles (d. h. Nikolaos),
nur ausführlicher und, so weit es durch Einschaltungen und princre
Umstellungen möglich zu machen war, zusammenhangender.
' " C a p 9 et est digressio, declarans animam p l a n t a e
s e c u n d u m sententiam Per i p a tet i c o rum. - Mit Ausnahme
seiner eigenen Einleitung, sagt Albert, sei alles Vorstehende etwas
dunkel, vermuthlich aus dem Grunde, weil die Uebersetzer des
aristotelischen Werks von den Pflanzen, an das er sich bis hierher
-ehalten, entweder des Philosophen Sinn nicht recht gefasst
hätten, oder der Sprache, aus der sie übersetzten, mcht naachtig
.ewesen wären. Daher wolle er die sechs Probleme auf die sich
L s Gesagte zurückführen lasse, nochmals kurz durchgehen, und
deutlicher zu machen versuchen. Auf Fussreisen begegnet es
wohl, dass uns ein anfangs einladender Pfad nach und nach immer
beschwerlicher, die Ungewissheit, ob er an's Ziel führe, nnmer
peinlicher wird. Wir ersteigen noch einen Hügel, und plotzli^^h
liec^t die Welt in aller Herrlichkeit und mitten dann das gesuchte
Ziel vor uns. So ungefähr war mir zu Muth, als ich den Eingang
zum neunten Kapitel zum ersten mal las. Ich hatte mcht geahnet,
dass die sieben vorhergehenden Kapitel nur Commentar zu emem
Text wären, mit dem ich zwar bekannt, doch nicht vertmut genuo
war, um ihn sofort wieder zu erkennen. Jetzt, als sich mein
IrrThum aufklärte, musste ich beides bewundern, sowohl Alberts
P i e t ä t geo-en den anerkannten Meister, wie auch die Unbef
a n g e n h e i t des Ur thei l s, die er sich, jener unbeschadet, zu
erhalten gewusst. Denn freilich spricht aus jenen sieben Kapiteln,
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