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die Verwechselung der Namen Cistus und Cissus nachweist, wogegen
Pontianus in seinem Dankschreiben den Plinius zu vertheidigen
sucht. Marcellus war damals, die Richtigkeit seines Geburtsjahrs
1464 vorausgesetzt, 27 Jahr alt. Dem scheinen jedoch
die Worte „me adhuc puero" zu widersprechen. Ich kenne die
Auctorität nicht, auf der jene Jahrszahl beruht. Ist sie nicht sehr
zuverlässig, so möchte ich sie in 1474 verwandeln.
§. 32.
P a n d u l p h u s Collenucius.
Dieser Hauptwidersacher des Leonicenus war, ich weiss nicht
wann, zu Pesaro geboren. Er wird als Jurist Redner und Historiker
gerühmt, und widmete sich zumeist den öffentlichen Geschäften,
bald als Sachwalter, bald als Richter, bald als erwählter Podestà
verschiedener Städte Italiens, bald im Dienste des Herzogs Hercules
I. von Ferrara, dem er all seine Schriften dedicirte, und der
ihn unterandern auch als Gesandten an den Kaiser Maximilian
schickte. Daneben fand er noch Zeit genug sich eifrigst mit der
alten Literatur zu beschäftigen, und selbst als Dichter soll er geglänzt
haben. Endlich kehrte er in seine Vaterstadt zurück, sprach
sich in einer an den Herzog Valentino gerichteten Bittschrift mit Ausgelassenheit
(con soverchia Hberta) gegen den durch jenen verdrängten
rechtmässigen Landesherrn Herzog Giovanni Sforza aus, und
ward, nachdem letzterer wieder zur Herrschaft gelangt war, im
Jahr 1504 als Hochverräther hingerichtet. So erzählt Tiraboschi 2).
Was er sonst noch zu des Pandolfo Lobe sagt, lasse ich dahin
gestellt sein; das Wenige, was ich von ihm kenne, flösst mir keine
günstige Meinung von ihm ein.
Ich spreche von seiner Pl iniana defensio adversus Nicolai
Leoniceni accusationem ; und auch sie kenne ich nicht in der
1) In dem schon früher citirten Werke: Angeli Politiani et aìionun
virorum iUustrium epütolarum libri duodecim, Uber II, fol. 17. Der folgende Brief
des Leonicenus ist die Antwort.
2) Tiraboschi tom. VI, parte II, pag. 92 sqq.
Originalausgabe Ferrarae sine anno in 4. (wovon Haller noch einen
Nachdruck Schlestadii 1510 in 4. angiebt), sondern nur in dem botanischen
Auszuge daraus, den Ot t o Brunfel s im Anhange zum zweiten
Theil seiner Herbarum vivae eicones lieferte. Schon in dem neuerfundenen
Namen, womit er seinen anspruchslosen Gegner bezeichnet,
P l i n i oma s t i x , Pliniusgeissel, spiegelt sich die ganze Haltung
der Schrift. Sie ist in einem des wahren Gelehrten durchaus unwürdigen
Ton geschrieben, offenbar weit mehr in der Absicht den
Gegner herabzusetzen und die eigene alles umfassende Gelehrsamkeit
zur Schau zu stellen, als um die Sache aufzuklären. Dazu
ist sie dem Herzog von Ferrara gewidmet, also im Grunde ein
dem Landesherrn und hohen Gönner des greisen Angeklagten eingereichtes
malitiöses Klaglibell. Ein so hartes Urtheil verlangt
Beweis; ich gebe als solchen, was mir grade in die Augen fällt,
eine Stelle aus der Untersuchung über das Cyclaminum (pag. 96
bei Brunfels). Plinius erzählt von der Wurzel der Aristolochia
rotunda, die Fischer in der (römischen) Kampania bedienten sich
ihrer um die Fische herbei zu locken und zu betäuben. Dasselbe,
sagt Leonicenus, thäten die Fischer jener Küste noch jetzt; doch
bedienten sie sich zu dem Zweck, nicht der Aristolochia, der auch
kein anderer Schriftsteller diese Eigenschaft zuschreibe, sondern
des Cyclamen, und dasselbe behaupte Plinius selbst an einer andern
Stelle von seinem Cyclaminum. Er scheine daher in der ersten
Stelle das Cyclaminum mit der Aristolochia rotunda verwechselt
zu haben. Dagegen beruft sich Collenuccio, indem er diesmal den
Herzog selbst apostrophirt, auf des Herzogs Bruder Sigismondo
von Este, von dem er erfahren habe, dass sich jene Fischer wirklich
der Aristolochia bedienen, ein Zeuge, dessen er sich als Jurist
weder in dieser Sache noch vor diesem Richter bedienen durfte»
Dann fährt er fort: „At quaenam ista pertinacia? quae fronhs
duricies? quae impudentia est? A nullo auctore scriptum inquis,
cum Plinius scribat. Et quia nullum id scribentis reperisti, quoniam
paucos legisti, ideo Plinio, qui se vidisse affirmat, credendum non
est? . . . . O infelicem Plinium! o cassa literarum studia! o vanos
integerrimi viri labores lucubrationesque miseras! En post annos