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B u c h XII. Kap. 1. §. 4. B u c h XII. Kap. 1. §.4. 43
so wie wir sie vielleicht sehr corrumpirt besitzen, wenig aristotelischer
Geist.
E r s t e s Problem: ob die Pflanze beseel t sei? — Sie ist es,
antwortet Albert, gleich jedem Körper, der sich aus sich selbst
bewest. Ohne Bewegung aber wäre kein W O O a chs thum, keine Er -
nährung, keine Fortpflanzung. Auf diesen engen Kreis beschränkt
sich indess die Thätigkeit der Pflanzenseele, und diesem geringen
Umfange ihrer Thätigkeit entspricht die geringe äussere sowohl
als innere Verschiedenartigkeit der Pflanzentheile, wie auch das
Vermögen der Pflanze, aus jedem ihrer Theile wie aus dem Samen
Neues zu erzeugen.
C a p . 10, et est d igres s io, declarans modum et ration
em virium animae. — Zweites P roblem: ob die Pflanzenseele
Gefühl und V e r l ange n besitze? Beides hatte ihr Piaton
zugeschrieben, Aristoteles abgesprochen. Nach ausführhcher Erwägung
der Gründe und Gegengründe erklärt sich Albert für die
letzte Meinung. Und hier erfahren wir gelegentlich, woher Albert
seine Kenntniss der vermeinten platonischen Lehre von der Pflanzenseele
schöpfte. Piaton selbst spricht sich nur im Vorbeigehen
sehr kurz und unbestimmt darüber aus, wie ich in meinem ersten
Bande angeführt. Spätere bildeten sie weiter aus, unter andern
auch der Jude Isliaq Ben Solaiman in seinem Buche de Elementis:
auf ihn beruft sich Albert.
Cap. 11, et est digressi o declarans, an plantis conv
e n i a t somnus, vel non, et quae fuer i t intentio philos
o p h o r u m , somnum convenire plantis affirmant ium vel
n e g a n t i u m ? (sie, cod. Basil). — Woher die| Meinungen und
Beobachtungen über den P f l anz en s c h l a f stammen, die hier dem
Sokrates, Piaton und andern Sokratikern beigelegt werden, konnte
ich nicht ermitteln. Doch wie dem sei, Thatsachen und Folgerungen
scheinen mir historisch so wichtig, dass ich mich ihrer
Mittheiluno; nicht enthalten kann. — Der Schlaf, so sollen die
Sokratiker gesagt haben, entsteht bekanntlich durch den Zudrang
der Kälte nach den äussern Theilen des Körpers, wobei sich dieser
gegen die Aussenwelt verschliesst. Das ist das Wesentliche. Nebensache
ist dagegen, ob die Kälte vom Haupte ausgeht, oder woher
s'onst; denn auch Thiere ohne Kopf schlafen. Nebensache ist auch
des Schlafes Dauer; denn einige Thiere schlafen em halbes Jahr
hindurch, andre kürzer. Wenn also die Pflanze während des Wmters
von aussen durch die Kälte zusammengezogen, ihr Saft und
ihre Wärme nach innen zurückgedrängt sind, so schläft sie. Auch
bei Nacht schlafen einige Pflanzen, indem sich ihre Blumen Abends
zusammenziehen und mit Tagesanbruch wieder öfl-nen. _Auch ist
iede Ernährung verbunden mit einem Ab- und Zuströmen der
Wärme und des Athems, welcher Wechsel den Schlaf und das
Wachen bewirken; die Pflanze nimmt Nahrung ^^ folglich
ist auch sie des Schlafs und des Wachens theilhaftig. Sollte
iemand einwenden, die Pflanze sauge ununterbrochen Nahrung ein
sie müsse daher entweder beständig wachen, oder unaufhorhch
schlafen: so ist zu erwiedern, dass die Pflanzen sich kemeswegs
Winter und Sommer, Nacht und Tag hindurch gleichmässig ernähren
Während der heissen Jahreszeit vegetiren sie im Schatten
der Nacht, und trauren während der Gluth des Tages, welche sie
ihres Saftes und ihrer Wärme durch Verdunstung beraubt. Desgleichen
sind sie des Winters bei äusserer Zusammenziehung inwendig
am saftreichsten. Woraus hervorgeht, dass sie schlafend
mehr, wachend weniger Nahrung einsaugen. - Sollte wohl m den
fünf Jahrhunderten von Albert bis auf Linné etwas Besseres, wenn
auch theilweis Unrichtiges dabei vorkommt, über den PA^zenschlaf
gesagt sein? Und ist es nicht sogar ein Vorzug, dass Alberts
Sokratiker den Pflanzenschlaf schon in den Bewegungen der Blumenblätter
erkannten, während Linné und so viele semer Nachfolger
dies Phänomen von den Bewegungen der Stengelblatter wil -
kürhch trennten, und letztere allein mit dem Namen des Schlafs
bezeichneten? Wiewohl nun Albert, dem Aristoteles gemäss, den
Schlaf zu einem Vorzuge des sensiblen Lebens macht, so lasst er
doch die von den Gegnern angeführten Thatsachen unangefochten,
und sucht ihnen nur eine andre Bedeutung abzugewinnen. ^
C a p 12, et est digressio, declarans dicta antiquor
um de sexu plantarum. -- Ueber die Frage, ob den Pflanm
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