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386 Buch XV. Kap. 3. §. 53.
behandelt. Bald darauf Hess er allen Juden ihre Kinder unter
vierzehn Jahren rauben, um sie als Christen erziehen zu lassen.
Viele Aeltern tödteten lieber ihre Kinder, anstatt sie einer solchen
Schmach preis zu geben. Die untern Schichten der Nation theilten
des Königs Habsucht und Fanatismus. Als 1506 ein getaufter
Jude in Lissabon an einem vorgeblichen Wunder zu zweifeln wagte,
entstand ein Aufruhr; er und mit ihm 2000 getaufte und ungetaufte
Juden oder Christen von jüdischem Ansehen wurden geplündert
und erschlagen^).
Unter dieser gewaltsamen JRegierung, im Jahr 1511 ward
Amatus als Jude geboren, und vermuthlich schon früh als Christ
zwar getauft, doch heimlich als Jude erzogen. Wenigstens war
er der hebräischen Sprache mächtig, mit der sich Christen jener
Zeit sehr selten beschäftigten, und wir werden ihn später offen
zum Judenthum zurücktreten sehen. Er muss Vermögen besessen
haben, zu Salamanca studirte er 18 Jahr alt die Medicin, erwarb
sich daselbst die Doctorwürde, prakticirte gelegentlich an ver
schiednen Orten, unterandern auch in Lissabon, und machte dann
lange weit ausgedehnte Reisen durch Frankreich die Niederlande
Deutschland und Italien. Besonders oft gedenkt er in seinem
spätem Hauptwerke des Aufenthalts in Antwerpen, wo er viele
Producte exotischer Pflanzen kennen zu lernen Gelegenheit fand,
und 1536 seine erste Schrift herausgab, nach Merklin wie auch
nach Chaussier und Adelon^):
Jo. ßoder ici de Castello Albo] exegemata in priores duos
Dioscoridis de materia medica libros. Antverpiae 1536, in 4.
Oder nach Seguier Haller und PritzeP):
1) Ich entnehme diese Nachrichten aus Friedr, von Raumers Geschichte
Eiiropaf; seh dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts S. 89. Andre Historiker
erzählen noch mehr der Art.
2) Merklin Lindenius renovatus pag, 36. — Chaussier et Adelon in der
Biographie universelle tom, 11^ pag'
3) Se g ier ii bibliotheca botanica pag. öi — Hall er hibliotheca botanica I^pag^
251.— Priizel thesaurus literaturae botanicae pag. 33-i^ unter dem Namen Amatus
Lusitanus. Pritzel hat das angezeigte Buch in der kaiserlichen Bibliothek
zu Paris selbst gesehen.
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Index Dioscoridis. Ejusdem historiales campi, cum expositione
J o a n n i s Roderici Castelli Albi Lusitani. Antverpiae
1536, in fol.
Unter beiden Titeln vermuthe ich dasselbe mir unbekannte und,
wie es scheint, sehr seltene Werk, denn bei den erstgenannten
Literatoren fehlt der letzte, bei den letztgenannten der erste Titel;
und Hoffmann 1) sagt nur, Amatus Lusitanus hätte 1536 fol.
Antv. unter seinem wahren Namen Juan Rodríguez de Cas
t e l l o Albo über die beiden ersten Bücher des Diodcorides
Anmerkungen herausgegeben, er scheint das Buch also nicht gesehen
zu haben. Dasselbe sagt Morejon 2), lässt aber das Buch
in 4. erscheinen. Sechs Jahr lang hielt sich Amatus darauf zu
Ferrara auf, und stand mit Brasavola und den übrigen dortigen
Gelehrten in stetem Verkehr. Einen daselbst im Alter von 38 Jahren
erhaltenen Ruf als Leibarzt des Königs von Polen lehnte er ab,
in der Hoffnung als Stadtarzt in Ragusa angestellt zu werden, zu
welcher Stelle ihn Brasavola empfohlen hatte. Um die angeknüpften
Unterhandlungen zu erleichtern, ging er nach Ancona, wo einige
einflussreiche Ragusaner sich aufhielten, von da nach Rom, und
dedicirte von hier aus dem Magistrat von Ragusa sein botanisches
Hauptwerk:
A m a t i Lusitani in Dioscoridis de materia medica libros
quinqué enarrationes. Venetiis apud Valgrisium 1553, in 8.
— Dann Argentorati per Wendelium Rihelium 1554 in 4., und
seitdem mehrmals an verschiednen Orten.
Dies Werk, so scheint es, ward ihm verhängnissvoll. Mit Anstand,
doch nicht ohne einige Schärfe, hatte er darin dem Mattioli
manchen Fehlgriff vorgehalten. Dieser antwortete in einer besondem
1) Ho f f mann bibliographisches Lexikon der gesammten Literatur der Griechen,
1, S. 607.
3) Mo rejan historia bibliográfica de la medicina Española, tom. I, pag. 100.
Erst jetzt lernte ich dies Werk kennen, ein Opus j>osthumim in 7 schwachen
Bänden, Madrid 1842-1852 in 8. Leider finde ich die historischen Angaben
darin nur zu oft ungenau, und die Urtheile über naturwissenschaftliche Leistungen
haltlos. Doch habe ich es stets gewissenhaft zu Rath gezogen,
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