' «
I • -
? : (
i i
I ;
354 B u c h XV. Kap. 1. §. 48.
und auch seine historischen und geographischen Kenntnisse werden
gerühmt. Künstlerische Bildung verrathen seine in Spanien
selbst gefertigten Pflanzenzeichnungen, und wenigstens Sinn für
Poesie sein inniges Freundschaftsverhältniss zu einem der grössten
modern lateinischen Dichter, zu P e t e r Lotichius, mit dem er
in Montpellier zusammengetroffen war, und unter dessen Werken
sich mehrere an Clusius gerichtete Briefe und Gedichte erhielten.
Wendet sich ein so begabter, so durchgebildeter Mann endlich
mit ganzer Kraft und feurigem Eifer einem einzelnen Fache zu,
wie Clusius der Botanik, so kann der Erfolg nur ein glänzender
sein. Keiner seiner Vorgänger oder Zeitgenossen hat die Pflanzenkunde
mit neuen Entdeckungen mehr bereichert, seine Entdeckungen
genauer untersucht und beschrieben als er. Auch an der
klassischen Gelehrsamkeit, mit welcher die Botaniker seiner Zeit
zu prunken pflegten, fehlte es ihm nicht, und glücklich entzifferte
er manche Pflanzen des Alterthums; allein mit vollem Recht war
er dieser Richtung nicht zugethan, und schätzte die genaue Untersuchung
der Naturgegenstände höher als die schwankenden Muthmassungen
über ihre ältere Synonymie, womit Andre ihre Bücher
anschwellten. Man hat ihm Mangel an Sinn für systematische
Ordnung vorgeworfen; dabei hat man vor Allem übersehen, dass
keins seiner Werke eine Naturgeschichte des ganzen Pflanzenreichs
sein, sondern jedes nur Materialien zu einer solchen darbieten
sollte, bei denen auf die Anordnung weniger ankam. Gleichwohl
fehlt es ihnen im Besondern keineswegs an Ordnung: fast durchgängig
stehen die Arten derselben Gattung, oft auch viele Gattungen
derselben Familie, ja mitunter sogar Pflanzen verschiedener,
aber verwandter Familien beisammen. Unverkennbar ist das Bestreben,
die höher entwickelten den minder entwickelt
e n Pflanzen voranzustellen. In jedem seiner Werke wird
mit den Bäumen und Sträuchen der Anfang gemacht, und unter
den Kräutern mit den sogenannten Kranzpflanzen, denen, welche
die schönsten Blumen tragen. Hier stehen die Liliaceen im w^eitern
Sinn und die Irideen voran, worauf die Ranunkeln und Anemonen
folgen, und dann freilich auch manche unbegreifliche Zusammen-
Buch XV. Kap. 1. §. 48. 355
Stellungen eintreten. So ist die Anordnung in des Clusius beiden
Fundamentalwerken über die spanischen und über die ungarischen
Pflanzen Von 1576 und 1583, und welcher Botaniker dieser Zeit,
selbst Dodoens nicht ausgenommen, darf sich einer bessern Anordnung
rühmen? Grosse Fortschritte machten zwar bald darauf
Lobelius und vor allen Cäsalpinus; beider Werke hätte Clusius
am Ende seines Lebens in der Rariorum plantarum historia von
1601 benutzen können. Allein dazu bedurfte es entweder ganz
neuer umfassender Untersuchungen, wozu der an den Lehnsessel
gefesselte Greis von 75 Jahren nicht mehr geeignet war, oder
einer blinden Nachahmung, die er von jeher verschmähete.
Von seinen Schriften gehören hierher zuerst seine schon unter
D o d o n ä u s angezeigte französische Uebersetzung von dessen
C r u y d b o e c k , Anvers 1557, wobei sich als Anhang eine kleine
Schrift von Clusius selbst befindet:
Petit recueil, auquel est contenue la description d'aucunes gommes
et liqueurs etc. (man sehe den sehr langen Titel bei Pritzel,
kürzer und sehr abw^eichend bei Seguier. Mir fehlt das Buch).
Enthält nach Treviranus nur 33 Seiten nebst 3 mittelmässigen
Holzschnitten früher noch nicht abgebildeter Pflanzen. Clusius
selbst muss wenig Werth darauf gelegt haben, denn er nennt die
folgende in der Vorrede seine erste botanische Schrift:
C a r o l i Clusii Atrebatis rariorum aliquot stirpium per
Hispanias observatarum historia etc. Antverpiae ex officina
Plantini 1576, in 8. mit 233 Holzschnitten nach Trew,
299 nach Treviranus. Mir fehlt leider auch diese Schrift im
Original.
Einige der für dieses Werk bestimmten Holzschnittformen benutzte
Dodoens bei seiner zwei Jahr frühern Historia purgantium, so wie
umgekehrt Clusius einige von Dodoens mit gegenseitiger Zustimmung.
An Werth sollen Zeichnungen und Formschnitte beider
einander sehr nahe kommen ^ und ohne Zweifel Hess der Buch--
händler .Plantyn sie von denselben Künstlern anfertigen; nur die
Abdrücke findet Treviranus bei Dodoens, der sie selbst überwachen
konnte, besser. Ueber den Werth des Textes sprach ich schon.
r -Ii
[ .i
•
-II