352 Buch XV. Kap. 1. §. 48. Buch XV. Kap. 1. §. 48. 353
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auf Ein Jahr. Die Thätigkeit, die er in so kurzer Zeit entwickelte,
muss um so mehr Bewunderung erregen, w^enn man hört, dass er
in der Nähe von Gibraltar durch einen Sturz mit dem Pferde das
Unglück hatte den rechten Arm zu brechen. Nach Belgien zurückgekehrt,
hielt er sich, wie es scheint, zu Antwerpen auf, ging aber
1571 wieder nach Paris, von da nach London, und verweilte darauf
abermals einige Jahre in Belgien, bis er 1573 einem Kufe des
freisinnigen, die Wissenschaft ehrenden Kaisers Maximilian II.
nach Wien folgte. Er erhielt die Aufsicht über die kaiserlichen
Gärten, die er mit vielen seltenen Gewächsen bereicherte, gehörte
zu des Kaisers näherer Umgebung, begleitete ihn auf seiner Eeise
nach Prag, und ward sogar von ihm in den Adelstand erhoben.
Auch unter des Kaisers Nachfolger Rudolf II. blieb er in derselben
Stellung, unter beiden Herrschern im Ganzen ungefähr 14 Jahr
lang, und machte während der Zeit nicht nur viele Reisen durch
ganz Oestreich und Ungarn, sondern besuchte auch England zum
zweiten maL Eine Frucht dieser letzten Reise war seine Bekanntschaft
mit dem Weltumsegler F ranz Drake und dessen Begleitern,
und die Bekanntmachung der Nachrichten über mancherlei
exotische Naturgegenstände, die er von denselben empfing. Der
Aufenthalt in Wien muss für Clusius um so angenehmer und anregender
gewesen sein, als er dort in einem Kreise der ausgezeichnetsten
Gelehrten seiner Zeit lebte. Ich nenne nur seinen
Freund und Landsmann Dodoens, die beiden altern kaiserlichen
Leibärzte Crato von Kr a f the i m und Jul ius Alexandrinus,
sowie den berühmten kaiserlichen Historiographen Johannes
S a m b u c u s . Er hatte aber vor seiner Berufung nach Wien mit
ausserordentlichen Widerwärtigkeiten zu kämpfen gehabt, von denen
uns aus seinen noch ungedruckten Briefen erst Treviranus in Kenntniss
setzte. Er und seine Familie waren zum Protestantismus
übergetreten, in Folge davon fiel sein Oheim auf dem Schaffot,
und verlor sein Vafer sein ganzes Vermögen durch Confiscation.
Der Sohn gab ihm alles zurück, was er von ihm empfangen hatte,
und versank dadurch auf eine Zeit lang in solche Armuth, dass
er kurz vor seiner Berufung nach Wien, um die dringendsten
Bedürfnisse des Lebens zu bestreiten, von seinem Freunde Thomas
Rhedinger fünfzig Thaler borgen musste, und anfangs noch zu
Wien nicht einmal seine Hausmiethe bezahlen konnte. Hier hatte
er im Jahr 1581 wieder das Unglück das linke Fussgelenk auszusetzen
und das Knöchelbein zu brechen. Im Jahr 1587 verliess
er Wien für immer, und wohnte in Frankfurt am Main, wie man
sagt, des Ploflebens überdrüssig; indess trat er sogleich wieder in
ein fast vertrauliches Verhältniss zu dem freilich wissenschaftlich
loch gebildeten Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen, den er
häufig in Kassel besuchte, und von dem er eine Leibrente empfing.
Seipe Entfernung vom kaiserlichen Hofe scheint daher einen andern
Grund gehabt zu haben, ich vermuthe die Härte, womit Kaiser
Rudolf, je älter er ward, desto schrofi'er dem Protestantismus entgegentrat,
und allmälich die zahlreichen Protestanten, die sein
Vater ohne Rücksicht auf ihr Glaubensbekenntniss angestellt hatte,
wieder verdrängte. Zu Frankfurt hatte Clusius gar das Unglück
den rechten Schenkel auszusetzen, und in Folge schlechter Behandlung
des TJebels dauernd lahm zu bleiben, so dass er, gewohnt
Berge zu ersteigen, Felsen zu erklimmen, von der Zeit an sich
nur noch mühsam auf zwei Krücken bewegen konnte. Dazu bekam
er noch einen Bruchschaden, und die sitzende Lebensweise, zu
welcher beides den an starke körperliche Bewegung gewöhnten
Mann nöthigte, schwächte seine Gesundheit im Allgemeinen. Nur
seine Sinneswerkzeuge und sein Geist erhielten sich bis ins höchste
Alter in ungetrübter Frische. Im Jahr 1593, also im Alter von
67 Jahren, erhielt er noch einen Ruf als Professor von der Universität
zu Leiden. Er folgte ihm gern, und lebte und wirkte
dort in rastloser Thätigkeit, bis er endlich 1609, fast 84 Jahr alt,
noch in vollem Bewusstsein sein Leben endete.
P]r war ein Mann von bedeutendem Talent, ausserordentlichem
Gedächtniss und umfassender allgemeiner Bildung. An gründlicher
Kenntniss der alten wie der meisten neuern Sprachen hatte er zu
seiner Zeit kaum seinesgleichen. Dass er die Rechte studirt hatte
und Licentiat der Medicin war, wissen wir schon; aber auch sehr
ernste theologische Studien soll er zu Wittenberg gemacht haben
Meyer, Gesch, d. Botanik. IV, 23
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