94 Bu c h XIL Kap. 2. 9.
Roger Bacon, sein jüngerer Zeitgenosse, rechnet ihn zu den
wenigen des Griechischen kundigen Männern jener Zeit^), und
Viele halten ihn für den Uebersetzer einiger aristotelischen AVerke
aus dem Griechischen ins Lateinische. Seine Schriften, so weit
ich sie kenne, verrathen indess nichts davon, weder klassische
noch wahrhaft philosophische Bildung, kaum den wahrhaft gelehrten
Theologen, wiewohl ihm eine ins Allgemeine gehende Gelehrsamkeit
nicht abzusprechen ist, sondern vor allem den frommen
religiösen Schwärmer voll kindlicher Hinneigung zur Natur. Die
Mehrzahl seiner Schriften besteht aus Heiligenlegenden. Das
B o n um u n i v e r s a l e d epropr i e t a t ibu s apum, woraus Einige
mit Unrecht eine zoologische Monographie machen wollten, ist
vielmehr eine Sammlung erbaulicher meist wunderbarer Geschichten
älterer und neuerer Zeit zum Vorlesen in den Klöstern. Weil
die Bienen gewissermassen ein klösterliches Leben führen, so
knüpfte Thomas seine Erzählungen an das, was er von den Bienen
zu sagen wusste, so dass sich das Ganze zu einer nicht ganz unpoetischen
Allegorie verwebt. Das Werk ist werthvoll für die
Literargeschichte seiner Zeit wegen der vielfachen Züge aus dem
Leben gelehrter Zeitgenossen; dem Naturforscher bietet es nichts
dar, was nicht schon das Werk de n a tur i s rerum enthielte, das
jenem vorausging. Fünfzehn Jahr lang hatte er an diesem gesammelt,
als er jenes im Jahr 1256 zu schreiben begann. Ob nun
das Werk des B a r t h o l o m ä u s Angl i cu s de proprietatibus
r e r u m oder das des Thomas Cantipratensis de naturis
r e r u m ein oder einige Jahr jünger oder älter sei, oder beide ganz
gleichzeitig erschienen, dürfte schwer zu ermitteln sein, und scheint
mir fast gleichgültig, da offenbar keiner der beiden Verfasser den
andern benutzte oder auch nur kannte.
Den Inha l t des seinigen giebt Thomas im Prolog also an:
B u c h XIL Kap. 2. §. 9. 95
1) Ho^, Bacon opus majus. London 1733^ in foL^ pag, 48. Er nennt ihn
Thomas vener ahilis antistes St. David. Ich folge dem gelehrten Kenner
der Literatur des Mittelalters Jourdain (Gesch, der aristotelischen Schriften
im. Mittelalter: übersetzt von Stahr^ S. 56 und 65)^ indem ich jene Worte auf
unsern Thomas de Cantiprato beziehe.
Liber 1. de anathomia humani corporis, II. de anima, III. de monstruosis
hominibus Orientis, IV. de animalibus quadrupedibus,
V. de avibus, VI. de monstris marinis, VII. de piscibus fluviatilibus
atque marinis, VIII. de serpentibus, IX. de vermibus, X. de
a r b o r i b u s communibus, XL de arboribus aromaticis
e t medicinal ibus, XIL de herbis aromaticis et medic
m al l DU s, XIII. de fontibus, XIV. de lapidibus preciosis et
eorum sculpturis, XV. de septem metallis, XVI. de septem reglonibus
et humoribus aeris, XVII. de spliaera et planetis septem et
eorum virtutibus, XVIII. de passionibus aeris fulgure tonitruo et
consimilibus, XIX. de quatuor elementis, XX. de ornamento coeli
et motu siderum atque planetarum.
Auch über seine Quellen verbreitet er sich im Prolog, und
dabei zeigt sich seine Kenntniss des Alterthums von keiner glänzenden
Seite. Plinius, der zu seinen Hauptquellen gehört, soll
seine sieben und dreissig Bücher excerpirt haben aus fünfzig Büchern,
welche die in des Plinius Vorrede (oder erstem Buch) aufgezählte:!
Schriftsteller auf Befehl Alexanders des Grossen sollen zusammengetragen
haben. Dadurch dass er einen grossen Theil
dieser Quellen des Plinius zugleich als die seinigen bezeichnet,
wächst das Verzeichniss der seinigen ausserordentlich. In der
That sind deren nicht viel, in den drei Büchern, die von Pflanzen
handeln, werden nur genannt:
Alexander Macedo (scripsit Aristoteli),
Ambrosius,
Aristotelis liber primus de vegetabilibus,
Basilius Magnus,
Columella (doch nur teste Palladio),
Galienus,
Glossa super Genesin, oder bloss
Glossa,
J a c o b u s Aconensis epis
c o p u s (de Vitriaco),
Martialis (vermuthlich nach Palladius),
Moyses,
Philosophus (dreimal, wofür aber
derrehdingersche Codex durch- t )
gängig Plinius hat)j
P a 11 a d i u s,
P l a t e a r i u s ,
P l i n i u s ,
Solinus,
Y s i d o r u s ,
iK