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80 B u c h XII. Kap. 1. §. 7.
Joannni Heinriciis de Saxoni a verae sapientiae et vitae praesentis
in Christo Jesu incrementa continua" (sc. precatur). Damit
giebt der Verfasser sich selbst zu erkennen. Er selbst war also
weit entfernt, Alberts Namen zu missbrauchen; erst die Abschreiber
setzten, ohne Zweifel um dem Buche ein grösseres Ansehen zu
geben, den Meister an die Stelle des Schülers. Das bestätigen auch
die Anfangsworte des Textes in den Ausgaben, welche Albert zum
Verfasser machen. Sie wagen an dieser Stelle nicht Alberts Namen
dem des Heinrich zu substituiren, sondern sie lassen ihn einfach
aus; ebenso den des Johannes, dem das Buch gewidmet war. Da
heisst es denn: „Dilecto sibi in Christo socio et amico N. clerico
de tali loco verae sapientiae" etc., als hätte man sich diesen Namen,
nur nicht den Alberts des Grossen zu nennen geschämt.
Die Angabe, Heinrich von Sachsen hätte sein Buch aus Albert
excerpirt, führt vielleicht noch weiter, wiewol ich jetzt ausser Stande
bin sie so weit, wie ich möchte, zu verfolgen. Albert selbst spricht
zwar einige mal, namenthch im zweiten Buche seiner Summa de
creaturis (tom. XIX der Ausgabe von Jammy), welches eine Art
Anthropologie enthält, und in seinem Commentar zum vierten Buch
der Sentenzen (tom. XVI), über menschliche Zeugung und Geburt;
doch daraus scheint Heinrich von Sachsen nicht geschöpft zu
haben. Es giebt ein andres noch ungedrucktes Werk, worin dieselben
Gegenstände sehr ausführlich und gradezu in Eücksicht auf
Geburtshülfe behandelt sein sollen, und mit diesem Abschnitt jenes
Werks soll nach Petrus de Prussia (cap. 43, pag. 297; vergl. pag.
294 und cap. 18, pag. 169) die Schrift de secretis mulierum sogar
identisch sein. Es ist die Schrift de Naturis rerum, welche
zwar erweislich, und wie auch Petrus selbst nachweist, nicht von
Albert, sondern von seinem Schüler Thomas de Cantiprato
verfasst ist, doch schon sehr früh auf Albert übertragen ward.
Mehr darüber, wenn ich zu des Werks Verfasser, der uns auch
unmittelbar interessirt, kommen werde.
Wie dem nun sei, schon darum kann Albert das Buch de
secretis mulierum nicht verfasst haben, weil er selbst darin viermal
Buch XII. Kap. 1. 7. 81
citirt wird; und wenn Bayle i) darauf erwidert, niemand citire sich
selbst lieber als solche Schriftsteller, die ihren Namen geheim halten
wollten, so übersieht er, dass hier allen Umständen nach von abs
i c h t l i c h e m Betrüge des Ve r f a s s e r s gar nicht die Rede sein
kann, sondern nur von einer betrüglichen Verwechselung der Namen
durch einige der Abs chr e ibe r , nicht einmal alle, so wie auch
dass Alberts Charakter über einen solchen Verdacht hoch erhaben
steht.
Anders verhält es sich mit dem Liber aggregationis
und den Mi r abi l ibus mundi. Beide sind zwar aus verschiedenen
ältern Schriften, doch nicht unwahrscheinlich von derselben
Hand zusammengesudelt. Beide enthalten eine Reihe unter sich
unzusammenhängender Zauberkunststücke, eingeleitet das erste durch
eine Rechtfertigung, das zweite durch eine philosophisch sein sollende
Theorie der Zauberei. „Alle Wissenschaft, sagt der Verfasser des
ersten im Prolog, ist gut, folglich auch die Wissenschaft der Magie.
Alle Wissenschaft kann zu guten und schlechten Zwecken angewandt
werden, folglich auch die Magie. Darum will ich Albert
(egomet Albertus) die Zauberkräfte einiger Pflanzen Steine und
Thiere lehren, wie sie im Buche Chyrandis und im Buche
A l c o r a t stehen, weil ich deren mehrere wahr befunden habe,
und von den übrigen voraussetze, dass sie es auch sind." Darauf
lehrt er, wie man Streit erregen, Liebende entzweien, Liebe erzwingen,
den Kühen die Milch vertreiben, jemand wahnsinnig
machen, die Hunde zum Schweigen bringen, Schlösser ohne Schlüssel
öffnen, unauslöschliches Feuer entzünden kann, und mehr dergleichen
zu guten Zwecken anwendbare Kunststücke. Schriebe er
nicht gar zu ernst und einfältig, man dächte wohl, er hätte noch
einfältigere Schurken zum Besten.
Wer Alberts des Grossen Schriften kennt, findet in diesem
Buche weder seine Sprache, die bei aller Barbarei doch eine gewisse
Eleganz verräth, noch seine Hauptquelle den Aristoteles, noch
seine streng logische Anordnung, noch überhaupt seinen Geist.
1) Bayle ^ dictionnaire encyclopédique, article Albert le Grand,
M e y e r , Gesch. d. Botanik. IV. G
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