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252 Buch XIV. Kap. 2. §. 36.
Nur L e o n h a r d Fuchs, gewiss einer der competentesten Kichter,
der als des Verfassers jüngerer Zeitgenosse die Bedürfnisse jener
Zeit und die Schwierigkeiten, die dem damaligen Schriftsteller entgegenstanden,
besser kannte als wir, urtheilt anders. „Homo, sagt
e r i ) , g^^pra linguarura peritiam non vulgari, rerum cognitione
p r a e d i t u s . . . . Ceterum cum Kuellius veteres atque adeo legitimas
stirpium nomenclaturas . . . . obscuratas nunc et obliteratas
esse, neque etiam singulas stirpes ab uno Dioscoride descriptas
animadverteret, paucis abhinc annis opus, üt apparet, multis vigiliis
adornatum, cui de s t i rpium natura titulum indidit, edere
voluit. In quo sane quicquid usquam fere apud Theophrastum
Plinium Galenum aliosque veteres et recentes probatos auctores
de stirpibus scriptum est, complecti magno studio annixus est.
Quare a plerisque hodie vir ille bonus male audit, eo quod complura
admodum ad verbum aliunde, e Plinio praesertim ac Hermolai
Corollario transcripta, suppressis eorundem nominibus in suos
transtulerit commentarios: quasi vero illi, quibus hoc suum
t u e r e t u r factum (modo superstes esset), veterum eorumque
p r o b a t i s s i m o r u m scriptorum exempla deessent! Atqui,
ut mortuo jam nonnihil patrocinemur, unum tantum commendabimus."
Nachdem er darauf weitläuftig ausgeführt, wie Kuellius
grade so verfahren sei wie Plinius, den doch niemand deshalb
tadele, SO fährt er fort: ^^Me non pudet aperte fateri mihi
e j u s commentarios multum p rofui s s e Utcunque autem
multa sint in Ruellii commentariis, quae non probemus, debet tarnen
nihilominus ejas Studium nobis esse longe gratissimum, ut qui in
t a n t a rei herbariae caligine plus tamen omnibus, qui
hunc antecesserunt , p r ae s t i t e r i t."
Der ganzen Anlage nach nähert sich das Werk, wenn gleich
nicht ohne manche Eigenthümlichkeit, dem des Theophrastos. Die
zwei und zwanzig ersten Kapitel des ersten Buchs handeln von
d e n Pflanzen überhaupt , und sind freilich zum grössern Theil
von Theophrastos entlehnt. Doch sind sie abgekürzt, hin und
1) Leo 71, Fuchs il de natura stirpium commeniarii^ in der Dedicationsschrift,
B u c h XIV. Kap. 2. §.36. 253
wieder ist auch einiges zugesetzt, namentlich aus Plinius. Eigenes
von einigem Belang enthalten sie kaum, doch ist auch an ihnen
die lichtvolle Anordnung lobenswerth. Was konnte Kuellius mehr
thun, da die Wissenschaft auf diesem Felde zu seiner Zeit noch
nicht den kleinsten Fortschritt gemacht hatte, als das Vergessene
einmal wieder in Erinnerung bringen? Die übrigen 123 Kapitel
des Buchs handeln von den Bäumen, die beiden andern Bücher,
die nur ihres Umfangs wegen getrennt zu sein scheinen, von den
K r ä u t e r n , mit denen Ruellius die Sträuche verbindet. Was aber
dies Werk vor allen frühern seiner Art auszeichnet, und besonders
anerkannt zu werden verdient, jede darin vorkommende
P f l a n z e wird beschr ieben; war sie den Alten bekannt, mit
deren Worten, wo nicht, nach eigener Beobachtung. Musterhaft
sind die Beschreibungen nicht, aber es sind doch Beschreibungen.
Auch steht bei den in Frankreich wachsenden Pflanzen
ihr französischer Name. Gewiss war Kuellius, wie ihn Haller
nennt, ein homo sedentarius, seltene oder neue Pflanzen muss man
nicht bei ihm suchen, wiewohl doch auch einige Pflanzen, z. B.
unser Coronopus Ruellii, bei ihm zuerst vorkommen. Aber auch
als erste einigermassen reiche Flora Frankreichs hat das Werk
seinen unbestreitbaren Werth.
Nach der Beschreibung und Kritik der Synonyme, wobei die
barbarischen Namen meist übergangen, und nur bei solchen Pflanzen,
welche wir erst durch die Araber kennen lernten, angeführt
zu werden pflegen, folgt bei den Culturpflanzen ihre Cultur und
ihr ökonomischer Gebrauch, bei den Arzneipflanzen das Nöthigste
über ihre Wirkung, Daneben kommt auch manches Abergläubische
vor, wozu ein gewisser Hang dem Verfasser nicht abzusprechen
ist. Aber auch das durfte nicht fehlen, um das Werk zu dem zu
machen, was es ist, und was ihm seinen hohen historischen Werth
giebt, zu einem Hohlspiegel, der die gesammte Pflanzenwissenschaft
der Zeit nach allen Kichtungen zusammenfasst, und uns als ein
treues Gesammtbild zur Anschauung bringt. Ehre also der Asche
des vielgescholtenen Mannes!
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