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38 B u c h XIL Kap. 1. 4, B u c h X I L Kap. 1. §.4. 39
Ilülfsmitte] benutzt: 1. einen trefflichen baseler Codex des XIV.
Jahrhundert, der mdess nur die fünf ersten Bücher enthält; 2. einen
minder guten, doch fleissig corrigirten strasburger Codex aus
dem XV. Jahrhundert, der alle sieben Bücher umfasst; 3. die sehr
genaue Collation der beiden letzten, im baseler Codex fehlenden
Bücher nach zwei pariser Handschriften, einer aus dem XXV.,
einer aus dem XV. Jahrhundert; 4. sorgfältige Vergleichung derjenigen
Schriftsteller, die bald nach Albert sein Werk benutzten
und theilweise abschrieben, vornehmlich des P e t r u s de Crescent
i i s . Ob der dadurch berichtigte Text gedruckt erscheinen kann,
wird davon abhängen, wie mir die nächst folgenden Paragraphen
gelingen, und wie viel Theilnahme für meinen Liebling sie erregen
werden
§• 4.
A l b e r t s generelle Botanik.
Des Ar i s tot e l e s ächtes Werk von den Pflanzen besitzen
wir bekanntlich nicht, das kleine gleichnamige Werk des Nikol
a o s Damaskenos, worüber ich schon im ersten Bande dieser
Geschichte sprach, galt für das seinige. Dieselbe aus dem Arabischen
abgeleitete lateinische Uebersetzung von Alfredus de
S a r c h e l , die wir noch besitzen, kannte Albert, hielt das Werk
für ein ächt aristotelisches, und bearbeitete es auf seine Weise
gleich seines Meisters übrigen Werken. Wie wenig es ihn indess
befriedigte, werden wir bald erfahren, und wie viel des Seinigen
er hinzufügte, ergiebt sich schon aus dem Umfange seines Werks.
Das des Nikolaos besteht aus zwei sehr kurzen, das seinige aus
sieben ziemlich umfangreichen Büchern. Die fünf ersten Bücher
enthalten generel le, das sechste speciel le, das siebte ökonom
i s c h e Botanik. Eine Uebersicht der fünf ersten Bücher, und
des ersten Tractats des sechsten, der von den Bäumen handelt,
lieferte ich in meiner frühern Abhandlung über Albert den Grrossen,
und werde dieselbe hier mit einigen Berichtigungen und sonstigen
nützlich scheinenden Veränderungen wiederholen; das Fehlende
: ; e l ich neu hinzufügen. Stessen wir dabd auf aller er sonderbare
letzt fast kindisch erscheinende Theorien, so bitte ich die
l l e n gelungenen Partien dagegen auf die Wage zu legen, und
vor allem des Zeitalters nicht zu vergessen. Noch fehlten die beiden
wichtigsten Mittel zur Erforschung der Pflanzennatur das
M i k r o s k o p und die Chemie; noch fehlte der Hauptschlussel
zur Ercründung aller Naturphänomene, die Kunst des ^^xperim
e n t i i e n s . Zieht man ab, was die Botanik diesen drei mächtigen
Werkzeugen verdankt, so wird wenig übrig bleiben was Albert
nicht eben so^ gut oder besser gesehen und gedeutet hat, wie die
meisten seiner Nachfolger für lange Zeit. Ich gebe zu, dass vor
i hm Aristoteles und Theophrastos ihn weit uberragten,
nach ihm Andrea Cesalpini einiges besser beobachtet, richtiger
beurtheilt hat als er; doch wer, frage ich dreist, ausser diese'n
dreien, kann sich bis auf die Zeit des letztern, das heisst ineinem
Zeiträume von mehr als zwei tausend Jahren auch nur entfernt
mit ihm vergleichen?
Ein neuerer Schriftsteller, welcher Albert den Grossen zum
Mittelpunkt seiner Geschichte der Naturwissenschaft im Mittelalter
machte i), erhebt sein Verdienst noch höher. Zwei Epochen der
Naturwissenschaft unterscheidet er im Alterthum, die griechische
mit A r i s t o t e l e s an der Spitze, die der Beobachtung;
die römi sche, durch Pl inius repräsentirt, die der Gelehrs
a m k e i t ; ihnen, sagt er, fügte das M i t t e l a l t e r eine dntte hinzu,
die des E x p e r ime n t i r e n s , und A lbe r t der Grosse und Koger
Bacon, vornehmlich aber der erste, waren die Erfinder der Kunst
desselben. Wie gern sähe ich auch diesen Kranz wohlverdient
auf meines Lieblings Haupt! Allein ich fürchte, man wird ihm
denselben nicht lange gönnen, und ihm wohl gar mit diesem auch
1) Man sehe die Subscriptiousanzeige am Schluss dieses Bandes.
1) F A Pouch et, histoire des sciences naturelles au moyen âge, ou Albert le
Grand et son époque^ considéré comme point de départ de Vécole experimentales Pans
1853, in 8. Man selie nur pag. 203 ff.
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