236 Buch XIV. Kap. 1. §. 33.
von den Briefen anfangs nur die sechs, in spätem Ausgaben die
achtzehn ersten Bücher, alle zwanzig erst lange nach des Verfassers
Tode, zum ersten mal Basileae apud Mich, Isingrinium 1540 in
fol. So versichert wenigstens Trew^), und in der Ausgabe von
1535, die ich besitze, und die jener zunächst vorausgegangen sein
soll, fehlen die beiden letzten Bücher wirklich.
Für uns das Wichtigste ist das achte Buch der Epistolae
m e d i c i n a l e s , enthaltend eine kritische Revision der Uebersetzung
und des Commentars des Marcellus Vergilius zum Dioskorides.
Es besteht aus drei langen Briefen. Der erste, datirt Ferrara 1519,
ist an Marcellus Virgilius selbst gerichtet, und betrifft nur das
erste Buch des Dioskorides; der zweite ohne Datum, an einen
Freund, der des Marcellus Vertheidigung übernommen hatte, behandelt
dieselben Gegenstände nochmals ausführlicher; der dritte
von 1523 erstreckt sich in kurzen Bemerkungen, oft nur Varianten
des Textes, über den ganzen Dioskorides, und ward wie Manardus
versichert, absichtlich bis nach des Marcellus Tode zurückgehalten,
um dem würdigen Greise nicht beschwerlich zu fallen. Nach
S p r e n g eis Urtheil, was hier am schwersten wiegt, gehörte indess
der Codex, woraus Manardus seine Varianten nahm, nicht zu den
bessern, und die Kritik und das Verständniss des Dioskorides soll
durch diese Arbeit überhaupt wenig gefördert sein. ^ Gross ist auch
der Gewinn nicht, den die Botanik durch sie erhielt. Lässt sich
dem Verfasser ein gewisser Umfang von Pflanzenkenntniss nicht
absprechen, so erstreckte sich dieselbe doch kaum über die gemeineren
Heilpflanzen hinaus. Verdienstlich ist indess jedenfalls sein
Bestreben, die durch die Araber und Arabisten herbeigeführte Verwirrung
in der Heilmittellehre der Alten aufzuklären. Dazu findet
sich mancher Beitrag auch in den übrigen Büchern der Medicinalbriefe
und den Anmerkungen zum Mesue. Einen Auszug desselben,
doch nur aus den sechs ersten Büchern, und zwar unter dem falschen
Namen Mainardus statt Manardus lieferte Otto Brunf
e l s im zweiten Bande seiner Herbarum vinae eicones, auf den
ich meine Leser verweise.
1) Treio catalogus ZZ, XVly ni\ 19.
B u c h XIV. Kap. 1. §. 34. 237
§. 34.
A n t o n i u s Musa Brasavola.
Ich schliese für dieses Buch die Reihe der Italiener, welche
durch klassische Studien zur Naturbeobachtung zurückgeführt wurden,
mit einem dritten ausgezeichneten Arzt und Lehrer zu Ferrara,
einem Schüler des Manardus und Leonicenus, um der für das folgende
Buch vorbehaltenen Entwickelung nicht zu weit vorauszueilen,
obgleich sich die Gewohnheit, jede botanische Untersuchung
an die Interpretation der Klassiker, besonders des Dioskorides anzuknüpfen,
in Italien noch lange erhielt, und von Männern befolgt
ward, deren wirkliche Pflanzenkunde ihrer Gelehrsamkeit nicht
nachstand,
A n t o n i u s Musa Brasavola^), der Sohn des Grafen Francesco
Brasavola, war 1500 zu Ferrara geboren, und die ihm ertheilten
Vornamen lassen vermuthen, dass sein Vater ihn von der
Geburt an zum Arzt bestimmte Seine Bildung erhielt er zu
Ferrara selbst, und entwickelte sich so schnell, dass er schon im
achtzehnten Jahre auf der dortigen Universität die Dialektik vortrug,
und zwei Jahr darauf erst daselbst, dann zu Padua und
Bologna hundert theologische philsophische mathematische astronomische
medicinische und humanistische Thesen vertheidigte. Doch
M^ar die Medicin sein Hauptfach, Schon 1525 ernannte ihn der
Erbprinz und spätere Herzog von Ferrara Herkulus II zu seinem
Leibarzt, drei Jahr daraufbegleitete er denselben auf einer
Reise nach Frankreich an den Hof König Franz I., der ihn mit
Gunstbezeugungen aller Art überhäufte, ihn unterandern zum Ritter
1) Seine Biographie schrieb Luigi Francesco Castellani^ de vifa
Ant, Mus, Brasavolae commentaiio, Mantuae 1167. Einen Auszug daraus lieferte
Tiraboschi iom. VIJ^ pari, 77, -pag, 56 etc.
2) Das meint auch Tiraboschi. Nach du Fetit-Thouars in der Biographie
universelle^ article ßrassavola, to77i. F, pag. 505, soll ihm Franz I. von Frankreich
den Namen Musa beigelegt haben. Die Quelle der Nachricht wird aber nicht
angegeben.
3) Im Jahr 1528, wie er selbst in der Dedication seines Examen siviplidum
sagt. Tiraboschi sagt: zwei Jahr darauf.