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228 Buch XIV. Kap. 1. §. 30. B u c h XIV. Kap. 1. §. 31. 229
Seine Arbeit unterscheidet sich von der seines Vorgängers Hermolaus
Barbarus dadurch, dass letzterer mehr Wortkritik, Nicolaus
mehr Sachkritik übte, dass jener die meisten Irrthümer, die
er im Plinius fand, den Abschreibern, dieser dieselben dem Plinius
selbst zur Last legte; und das war es, was ihm die heftigsten
Gegner erweckte. Die Araber und Arabisten gab man ihm willig
Preis, ihr Ansehen war seit dem Wiedererwachen der klassischen
Studien tiefer und tiefer gesunken, so dass ihnen noch länger
anzuhängen, für ein Zeichen mangelnder Bildung, ja für Barbarei
galt. Doch sein Rütteln an der Auctorität des Plinius, der selbst
zu den Klassikern gehörte, konnte man ihm nicht verzeihen. Er
aber, wie sehr er mit Hermolaus über ihre gegenseitig abweichenden
Meinungen der Sache wegen, nicht aus Rechthaberei, zu verhandeln
wünschte, Hess nach dessen unerwartet frühem Tode die
Angriffe seiner übrigen Widersacher in philosophischer Gelassenheit
unbeantwortet. Und er that wohl daran, denn was er recht
gesehen, das hat sich die Wissenschaft doch angeeignet; was er
gefehlt, würde seine Erwiederung nicht gerettet haben.
Es ist aber ein grosser Unterschied zwischen dem ersten und
den drei folgenden Büchern. Im ersten giebt er die Irrthümer
der Schriftsteller, die er bemerkt zu haben glaubt, zwar bestimmt
genug, aber kurz an. Im zweiten kommt er auf mehrere der schon
behandelten Gegenstände mit Rücksicht auf des Hermolaus Castigationen
nochmals ausführlicher zurück, und beruft er sich nicht
selten auf seine eignen in freier Natur gemachten Beo
b a c h t u n g e n . Im achten Kapitel sagt er ausdrücklich: „Cur
enim nobis oculos et reliquorum sensuum opificia natura concessit,
nisi ut ad prospiciendam investigandamque veritatem propriis
possimus niti subsidiis?" In gleicher Art geht es im dritten Buche
weiter, bis von cap, 24 an bis zu Ende anatomische Untersuchungen
folgen. Das vierte Buch endhch beschäftigt sich wieder fast
ganz mit verschiedenen botanischen Irrthümern des Avicenna und
seiner Ausleger. In beiden Büchern kommen häufig Bezugnahmen
auf eigne Beobachtung vor. Dazu schreibt Nicolaus so fliessend
und elegant, und zeigt überall bei der umfassendsten Gelehrsamkeit,
dem schärfsten Urtheil, eine so liebenswürdige Anspruchslosigkeit,
dass ihn gewiss jeder mit Vergnügen lesen wird, wenn
gleich der Werth eines Werks jetzt nur noch ein historischer ist.
§. 31,
M a r c e l l u s Vergilius.
So nenne ich diesen Schriftsteller, weil er nur diese Namen
auf dem Titel aller Ausgaben seines Hauptwerkes führt, wiewohl
sich gleich zeigen wird, dass beide nur Vornamen waren, und er
einen ganz andern Geschlechtsnamen führte. Wenige Schriftsteller
von einiger Bedeutung wurden von den meisten Literarhistorikern
bis heute so wie dieser vernachlässigt. Die meisten übergehen
ihn ganz, andre, wie Konrad Gesner und Haller, begnügen sich
mit der Angabe seines Amtes und einem kurzen Urtheil über seine
Leistungen; Sprengel setzt noch sein Todesjahr hinzu, das ist
alles. Sogar bei Tiraboschi kommt sein Name im Text nur beiläufig
einmal vor i ) , doch, als wolle er sein Unrecht wieder gut
machen, fügt er wenigstens folgende Anmerkung hinzu: „Marcello
V i r g i l i o Adriani , von uns nur an dieser Stelle genannt, hätte
eine ausgezeichnete Erwähnung verdient Er war Professor der
schönen Wissenschaften und Cancelliere del Publico zu Florenz
(die Ausgaben nennen ihn Secretarius Florentinus), gelehrt in der
griechischen und lateinischen Sprache, und seiner Beredtsamkeit
wegen hochgeschätzt. Er starb den 27. November 1521. Sorgfältig
hat von ihm gehandelt Mazzuchel l i (scritt. ital. tom. I,
pars n , pag. 156). Allein zu dem, was derselbe über ihn sagt,
lassen sich noch viele Notizen hinzufügen aus der Vorrede des
Canonicus B a n d i n i zu seiner Collectio veterum monumentorum,
worin er (pag. 22 sqq.) auch mehrere an Marcello gerichtete Briefe
mittheilt." Weder diese beiden Quellen fliessen mir, noch ist mir
ein drittes Werk zugänglich, worin sich Aufschlüsse erwarten lassen:
1) Tir ab 0 s chi storia della letteraU italianoj tom Vllf parU ü, pcig* edit^
Roman. 'H I- !'S