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Macht und Reichthum bestimmbare Politik und grenzenlose Tyrannej,
mit gutem Beispiel voran. Auf wiederholtes Ansuchen des
Professor F r a n c e s c o Buonafede, der auf der venezianischen
Universität P a d u a von 1533 an bis 1549 ausser andern medicinischen
Fächern auch de Simplicibus las, entschloss sich der Senat
der Republik 1545 zur Anlage eines medicinisch-botanischen Gartens
daselbst, und überwies die Aufsicht darüber zuerst dem genannten
Buonafede. Das sind nicht allein von gleichzeitigen
oder wenig jüngern Schriftstellern bezeugte, sondern urkundlich
festgestellte Thatsachen. Einen Wiederabdruck der Beweisstücke
lieferte R o b e r t o de Visi ani in seiner Memoria dell' origine ed
anzianità dell' orto botanico di Padova. In Venezia 1839, 8.
Nicht so vollkommen sicher, doch mit grosser Wahrscheinlichkeit
darf man die Gründung des zweiten Gartens solcher Art
auf der herzoglich florentinischen Universität P i s a in das Jahr
1547 setzen. Lässt sich gleich diese Zeitbestimmung nicht über
das Jahr 1670 zurückführen, so rührt sie doch von einem Manne
her, der sich fünf Jahr lang in Italien aufgehalten, und diesem
Gegenstande besondre Aufmerksamkeit geschenkt hatte, von dem
jenaer Professor Werner Rolfinck aus Hamburg. Derselbe
gab in seiner Schrift de vegetabilibus plantis suiFruticibus fruticibus
arboribus in genere libri duo, Jenae 1670 in 4., pag. 130 sqq.
eine Geschichte der botanischen Gärten, worin er besonders bei
den beiden genannten zu Padua und zu Pisa verweilte, und setzte
die Gründung des ersten in das Jahr 1540, die des zweiten in das
Jahr 1547. Die erste Angabe ist irrig, die zweite wird einigermassen
unterstützt durch das Zeugniss des weit altern Mattioli,
der schon in der Dedication seines zuer.-t italiänisch geschriebenen
Commentars zum Dioskorides von 1548 den botanischen Garten zu
Pisa als den zweiten rühmt, der überhaupt existirte, und nach dem
Muster des paduaner Gartens errichtet ward. Das Jahr giebt er
nicht an, doch ist klar, dass es zwischen 1545 und 1548 liegen muss.
Wie sich aber patriotische Kleinstädterei nicht selten gegen
historische Wahrheit verblendet, so suchte Giovanni Calvi in
seinem Commentarium inserviturum historiae Pisani viretri botanici
academici, Pisis 1777 in 4., darzuthun, dass der pisaner Garten
bereits 1544 gegründet wäre, dass ihm also die Ehre der erste zu
sein gebühre; und wie unerheblich es für die Geschichte der Botanik
überhaupt sein mag, ob ein einzelner botanischer Garten Ein oder
zwei Jahr früher oder später als ein anderer ins Leben trat, so
erlaube ich doch einen Streit, der zu so vielen Reclamationen, zu
so auiFallender Schwankung der Meinungen führte, und sich bis
in die neueste Zeit fortspann, nicht übergehen zu dürfen.
Ich kenne Calvi's Schrift nicht. Nach de Visiani gründet sie
die Priorität des pisaner Gartens nur auf zwei gleich unhaltbare
Argumente. Das erste ist der nackte Ausspruch Targioni
T o z z e t t i ' s in seinem Prodromo della corografia e della topografia
della Toscana vòn 1754, mit den Worten : „Fondazione del
giardino de' semplici nel 1544 (nel luogo dove ora è l'arsenale),
che fu il terzo in ordine di antichità fra gli orti academici." Unstreitig
verwechselte der Verfasser die Gründung der Gärten mit
der Anstellung der Männer, denen ihre Direction anvertraut ward,
als Lectores simplicium, das heisst als Professoren der Heilmittellehre;
denn nur so erklärt sich der ganze Ausspruch. Buonafede
las seit 1533 zu Padua über die Simplicia; dass der dasige Garten
erst 1545 eröffnet ward, wusste Targioni Tozzetti offenbar
nicht. Eben so wenig wusste er, dass der bologneser Garten
erst seit 1567 oder 1568 existirte, obgleich L u c a G h i n i von 1534
bis 1544 ohne Hülfe eines Gartens zu Bologna über die Simplicia
gelesen hatte. Nun begreift man, warum der pisaner Garten 1544
entstanden sein soll; denn in diesem Jahre berief Cosimo I. Herzog
von Florenz den Luca Ghini als Lector Simplicium an
seine Universität Pisa. Anders urtheilte Calvi: er berichtigte
Targioni Tozzetti's Irrthümer, den paduaner und bologneser Garten
betrefi'end, und acceptirte den dritten Irrthum zu Gunsten
seiner Vaterstadt Pisa als ausgemachte Thatsache. Sein zweites
Argument ist eben Luca Ghini's Berufung als Simplicista nach
Pisa im Jahr 1544 i), also genau derselbe Fehlschluss, dessen sich
1) Nach Bum al di hibliotheca botanica pag. 23 der Ausgabe von Se guier
soll Luca Ghini 28 Jahr nach einander bis 1555 zu Bologna Botanik gelehrt
M e y e r , Gesch. d. Botanik, IV. 17
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