
 
        
         
		\  
 266  B u c h  XIV.  Kap.  3.  §.  38.  
 unter  meiner  Aufsicht,  ist  einer  der  jüngsten  unter  allen,  eröffnet  
 unter  Professor  Schweigger  im  Jahr  1810.  
 §.  38.  
 S a m m l u n g e n  getrockneter  Pflanzen,  
 Wie  mit  den  botanischen  Gärten,  so  verhält  es  sich  auch  mit  
 den  Herbarien.  Zu  Heilzweken  trocknete  man  Pflanzen  seit  
 uralter  Zeit;  leicht  mag  auch  der  Eine  oder  Andere  diese  oder  
 jene  Pflanze  ganz  oder  zum  Theil  einmal  flach  ausgebreitet  in  ein  
 Buch  gelegt  und  so  getrocknet  haben,  wie  wir  jetzt  für  Herbarien  
 zu  thun  pflegen:  uns  kümmert  dies  Verfahren,  was  noch  jetzt  
 mancher  Knabe  übt,  erst  von  der  Zeit  an,  da  es  ein  Hülfsmittel  
 unsrer Wissenschaft  ward,  ein  Hülfsmit:^el,  das jetzt  alle  botanischen  
 Gärten  an Wichtigkeit  übertrifll,  allen  geschriebenen  Floren,  zumal  
 entfernter  Länder  zur  vornehmsten,  vielen  zur  einzigen  Grundlage  
 dient.  Demungeachtet  wüsste  ich  nicht,  dass  die  Erfindung  der  
 Herbarien  zu  wissenschaftlichen  Zwecken  jemals  historisch  untersucht  
 wäre.  Offenbar  gehören  die Herbarien  zu  den  Dingen,  von  
 denen  der  täghche  Umgang  mit  ihnen  den  Blick  der  Forscher  
 ablenkte.  So  ging  es  auch  mir,  bis  vor  kurzem  ein  Gelehrter,  
 mit  einer  grössern  Abhandlung  über  Herbarien  beschäftigt,  bei  mir  
 anfragte:  „Wer  hat  das  erste  Herbarium  angelegt?  Wo  findet  sich  
 die  älteste Nachricht  darüber?  und wer  hat  zuerst  über  das  Trocknen  
 der Pflanzen  Bemerkungen  geschrieben?  Natürlich  frappirten  mich  
 die  Fragen  um  so  mehr,  j e  weniger  ich  sie  zu  beantworten  wusste.  
 Erst  allmälig  erinnerte  ich  mich  einiger  mit  der  Geschichte  der  
 Herbarien  in  Verbindung  stehender  Thatsachen,  verfolgte  sie  weiter,  
 fand  mehrere  der  Art,  und  gebe  nun,  um wenigstens  einen  Anfang  
 zu  machen,  den  Andre  fortsetzen  mögen,  das  Wenige,  was  ich  
 darzubieten  habe.  
 Vor  allem  muss  man  sich  hüten  das  Wort  Herbarium  bei  
 ältern  Schriftstellern  im  modernen  Sinn  zu  nehmen.  Bei  ihnen  
 bedeutete  es  ein  Kräuter  buch,  und  zwar  vorz'üghch  ein  mit  
 A b b i l d u n g e n  versehenes,  sowie  Herbarius  den  Kräuterkenner. 
   So  lesen  wir  oft  genug,  auch  noch  bei  Tournefort  und  
 Späteren  vom  Herbarium  des  Fuchs,  das  heisst  seine  Historia  
 B u c h  XIV.  Kap.  3.  §.38.  267  
 stirpium,  des Mattioli,  das  heisst  sein  Commentar  zum  Dioskorides  
 U.S.W.  Um  das,  was  wir  ein  Herbarium  nennen,  von  jenen  
 Büchern  zu  unterscheiden,  führte  man  den  Ausdruck  Herbarium  
 vivum  ein;  doch  selbst  dieser  Zusatz  schützte  nicht  immer  vor  
 Zweideutigkeiten.  E m an u e 1 K  ö n i g  unterandern,  der  in  seinem  
 Regnum  vegetabile  quadripartitum,  Basileae  1708  in  4.  pag.  539  
 sqq.  de  collectione  plantarum  vulgari,  medica  et  astrologica  ein  
 langes  Kapitel  schreibt,  erzählt  darin;  „Praecipue  autem  nototu  dignissimum, 
   quod  circa  pictas  plantas  refert  Tournefortius,  regis  
 fratrem  exquisito  artificio  herbarium  vivum  depictum  possi=  
 dere,  nee  secus  ac  tale  Serenissimus  rex  Prussiae  peregrinis  
 commonstravit."  Hier  sind  es  also  Handzeichnungen.  Aber  wenige  
 Zeilen  darauf  lehrt  er,  wie  man  ein  „Herbarium,  ut  vocant,  
 vivum"  anzulegen  und  einzurichten  habe;  und  nun  gebraucht  er  
 das  Wort  in  unserm  Sinn.  Adrian  Spigel  gab  die  älteste  mir  
 bekannte  Anweisung  der  Art  in  seiner  Jsagoge  in  rem  herbariam.  
 Patavii  1606  in  4  pag.  79  sqq.  Schon  die  Seite  zuvor  empfielt  
 er  häufige Beobachtung  der  Pflanzen  in  freier Natur.  „Des  Winters  
 aber,  fährt  er  fort,  weil  da  beinahe  alle  Pflanzen  umkommen,  so  
 dass  ihr  das  nicht  leisten  könnt,  müsst  ihr  die  Wintergärten  
 (hörtos  hyemales)  betrachten;  so  nenne  ich  die  Bücher,  worin  
 man  getrocknet e  Pflanzen  auf  Papier  geklebt  verwahrt."  
 Man  sieht,  die  Sache  musste  noch  neu  sein,  das  Ding  führte  noch  
 nicht  einmal  einen  allgemein  angenommenen  Namen.  Vor  Spigel  
 finde  ich  gar  keinen  Namen  dafür,  wohl  aber  die  Sache;  und  wer  
 davon  spricht,  umschreibt  sie,  wie  wir  gleich  sehen  werden.  
 Ungefähr  aus  derselben  Zeit  kennen  wir  schon  einige  nicht  
 unbedeutende,  zum  Theil  noch  vorhandene  Herbarien,  wie  unter  
 andern  das  des  1624  verstorbenen  Kaspar  Bau  h in,  welches  zu  
 Basel  1),  und  das  seines  vielgereisten  Schülers,  des  Lausitzers  
 J o a c h im  Burser  in  30  Foliobänden,  welches  zu  Upsala  2)  auft 
 )  Man  sehe  die  Vorrede  zu  Hagenhach  ientamen  florae  Basiiiends,  lom,  
 i,  Basil.  1821  pag.  VI.  
 2)  Rolandi  Martini  dissertatio,  qua  plantae  Martino-Burserianae  expUcantur,  
 in  Linnaei  amoenitatis  academicae,  vol.  ./,  pag,  299.  
 h  
 «tr