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50 B u c h XII. Kap. 1. §. 4.
B u c h XII. Kap. 1. §. 4. 51
Wurzel in sich aufnimmt. Es giebt gefrässige und enthaltsame
Pflanzen. Jene, wenn sie sich nicht durch Ausschwitzung der
übermässigen Nahrung wieder entledigen, tragen wurmstichige leicht
faulende Früchte. Bisweilen heilt man die Krankheit, die vornehmlich
junge und hitzige Pflanzen befällt, durch Anzapfen über
der Wurzel wie durch einen Aderlass. Pflanzen mit hitziger lockerer
Wurzel in Gegenden, wo es selten, dann aber stark regnet,
beendigen ihre Verdauung oft, bevor ein zweiter Regen erfolgt.
Daher pflegen die Bäume im Morenlande (Afrika) zweimal jährlich
zu tragen, was sich in unserm Klima selten ereignet. Die
Stecklino-e gewisser Pflanzen machen leicht neue Wurzeln, und
zwar einerseits die der wässrigen und schwammigen, andrerseits auch
einige mit sehr hartem Holz, wie der Buxbaum, der Sadebaum und
andre, die so hitziger Natur sind, dass sie schneller Wurzeln treiben,
als das Reis aus Mangel an Nahrung vertrocknet. - c) Venen
sind genau genommen nicht in der Pflanze, auch nichts denselben
oftenbar ähnhches; doch nennt man ihre Saftwege so. Sie verlaufen
bald grade aufwärts, bald gewunden, bald netzförmig, bald vom Mark
aus strahlenförmig nach der Rinde zu. Sie sind wie bei den Thieren
dicht (solidae, ohne Poren). Aber sie pulsiren nicht, denn ihnen fehlt
der Spiritus pulsatilis. Befindet sich dennoch etwas der Art in ihnen,
wie beim Weinstock, so strömt ihr Saft aus einer im Frühling gemachten
Wunde gleichsam brausend aus (bulHendo). — d) Das Mark
scheint ein Stellvertreter der Wurzel zu sein, wie bei den Thieren
das Rückenmark ein Stellvertreter des Gehirns. In ihm ist die
geistige Lebendigkeit (vigor spirituahs, Cod. Bas., statt des sinnlosen
"rigor der Editt.) für die von der Wurzel zu weit entfernten
Theile. Pflanzen mit transversalen Saftwegen (starken Markstrahlen)
pflegen reich, die mit verticalen arm an Mark zu sein. Doch
mit dem Alter schwindet das Mark oft beinahe ganz. Einige
Pflanzen, wie der Holunder, bestehen fast nur aus Mark, und dergleichen
Pflanzen sind reich an Knoten. Andre, z. B. die Rohrarten,
sind sogar röhrenförmig hohl. Sie bedürfen viel eines dunstförmig
frei aufsteigenden Geistes, der sich in der Röhre von der
Nahrung aus erhebt. — 5) die R i n d e gleicht dem Fell der Thiere,
und ihr Verlust ersetzt sich wie bei den Thieren nicht ohne grosse
Narbe. Sie bildet sich aus erdigen Stoffen, welche die Pflanze
auscheidet; daher sie nach und nach dicht hart und rissig wird,
und gleichsam räudig abfallt. Diese Schälung der Rinde erfolgt
auf zweifache Art. Bei der Eiche Espe dem Weinstock und andern
spaltet sie sich der Länge nach, bei der Kirsche Pflaume
und vielen andern der Breite nach. Es giebt aber eine äussere
und eine innere Rinde. Jene ist hart, diese weich.
Gap. 4. De diversitatibus simplicium et formalium
et official ium partium plantae es s e n ti a l ium. — Dieser
Titel bedarf der Erläuterung. Unter den essent iel len Pflanzentheilen,
denen die später zu betrachtenden a c c ident e l l en gegenüberstehen,
ist zuerst gehandelt worden von den formalen, das
heisst vom Saft, dann von den o f f i c ialen, den Ernährungsorganen.
Jetzt sind noch übrig die e infachen Theile, deren Unterschied
von den beiden vorhergehenden Arten hier betrachtet werden
soll. Kürzer und ganz in Alberts Sinn könnten wir es ausdrücken
:
2) Von den S imi lar the i l e n der Pflanze. Gleich wie sich
bei den Thieren zwischen dem Geflecht der Venen und Nerven
ein Supplement einfacher Theile befindet, nämhch das Fleisch oder
was bei den fleischlosen dessen Stelle vertritt, so verhalten sich^ in
den Pflanzen die holzigen und die krautartigen Theile.
Leicht überzeugen kann man sich davon durch die Maceration,
vorzüghch solcher Pflanzen, die starke zähe und grade Venen
haben, wie die grosse Brennnessel, der Hanf, der Lein, das Leinkraut
(Linaria). Einfach werden diese Theile genannt, nicht als
wären sie nicht zusammengesetzt oder nicht theilbar, sondern -weil
durch ihre Theilung stets homogene Theile entstehen.
Cap, 5. De naturali figura plantarum tarn in toto
quam in partibus. — Die Gestalt der Pflanze ist vielartig,
meist rund, dreikantig, vierkantig, selten mehrkantig. Im Ganzen
gleicht sie jedoch der eines umgekehrten Menschen, weil sich die
dem Munde entsprechende Wurzel am untern Ende befindet. Was
Albert nun zur Erklärung dieser Gestalten beibringt, übergehe ich,
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