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zen Geschlechtlichlveit zukomme oder nicht, als über das
v i e r t e Problem, belehre uns Aristoteles am besten in seinem
Werke über die Thiere. Nur eine sehr entfernte Analogie mit
den thierischen Geschlechtern räumt Albert den Pflanzen ein,
und thut AA'ohl daran. Denn bis zur Entdeckung der wirldichen
an bestimmte Pflanzenorgane geknüpften Geschlechtsfunctionen,
das heisst bis auf Rudolf Jakob Camerarius, konnten
nüchterne Naturforscher, zumal wenn ihnen Gelegenheit fehlte die
Dattelpalme zu beobachten, keine andre Meinung gelten lassen.
Cap. 13, et est d igr e s s io, declarans imperfectionem
p l a n t a e in comparatione animalis. — Bestimmter liesse
sich das hier zu lösende fünfte Problem so ausdrücken: ob
die Fähigkeit, sich ohne Geschlechtlichkeit fortzup
f l a n z e n , ein Vorzug der Pflanzen sei, oder nicht? Einige
Philosophen meinten, ein Organismus, der sich aus sich allein
fortpflanze, sei für vollkommener zu achten als ein solcher, der
dazu eines Andern bedürfe. Das sei aber eine sophistische Ansicht,
ähnlich der, dass das Volk einen Vorzug der Thiere vor dem
Menschen darin zu finden glaube, dass jene gleich nach der Geburt
gehen und sich ernähren können, dieser nicht. Das Höhere
könne sich nur auf höhere Weise bilden, und die höchste Form
der Fortpflanzung sei die geschlechtliche.
Cap. 14, et est digressio declarans hoc, quod philosophi
dixerunt de vita plantarum occülta. — Das sechs
t e und letzte Problem, was aber von den Alten (d. h. von
Nikolaos Damaskenos) vorangestellt ward, sei das der Beschaff
e n h e i t des Pflanzenlebens, worüber sich Albert so ausspricht.
In der That ist das Pflanzenleben, wie die Alten gesagt
haben, ein verborgenes. Des Körpers Beschaffenheit offenbart
sich wohl in der Ernährung, im Wachsthum und in der Fortpflanzung;
die Seele aber, von der das alles ausgeht, wirkt insgeheim.
So unterscheidet sich die Ernährung der Pflanze, vermittelst der
natürlichen Wärme, wiewohl von der Seele bedingt, doch kaum
merklich von der Art, wie die äussere Wärme auch auf die Mineralien
wirkt. Auch scheint ihr Wachsthum, oberflächlich betrach-
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tet bleich dem der Mineralien an kein bestimmtes Maass gebunde^
zu sein, die Fichte Eiche Palme Ceder und andre Baume
scheinen eines unendlichen Wachsthums iahig_ zu sem. i redich
hat jede Pflanzenart gewisse Grenzen der Klemheit und Grosse,
die sie nicht überschreitet. Bei vielen liegen aber die beiden
Grenzen so weit aus einander, dass sie schwer zu bestimmen, und
fol-lich der Einfluss der Seele auf sie schwer zu erkennen ist. Bei
de? Fortpflanzung endlich ist es die Mannigfaltigkeit und Ausdehnung
derselben über alle Theile der Pflanze, welche die dabei
waltende Thätigkeit der Seele verdunkelt. Und in dieser Gebundenheit,
in dem Mangel an Sinnes- und Bewegungsorganen, durch
welche sich das höhere thierische Leben manifestirt, liegt der Grund,
warum die Wurzel, der Mund der Pflanze, abwärts gegen die Erde
o-ewandt ist. Strömte die Nahrung nicht von selbst herbei, umgäbe
sie die Wurzel nicht unablässig, die Pflanze würde gar keine
Nahruno- zu sich nehmen. Ja was noch mehr, würde die geringe
ei^enthümliche Wärme der Pflanze nicht von aussen durch die
Sonnenwärme unterstützt, jene allein würde nicht einmal hinreichen
den eino-esogenen NahrungsstofF zu verdauen, und zur Ernährung
zum Wachsthum zur Fortpflanzung geschickt zu machen.
T r a c t a t u s secundus.
D e diversitatibus et anatomia plantarum.
In diesem Abschnitt sollen die Unterschiede der Pflanzentheile
und deren Gründe untersucht werden. Folgte ich mdess,
sacxt Albert, nicht dem Aristoteles, sondern mir selbst, ich wurde
ganz anders zu Werke gehn. Und wirklich setzt er im nächsten
Such seinen Aristoteles wieder bei Seite, klagt über Verworrenheit
alles dessen, was die Alten über die Pflanzen hinterlassen und
führt die ganze Untersuchung auf seine Weise noch einmal durch.
Wir können daher diesen Tractat ganz übergehen.
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