B u c h XII. Kap. 2. §. 9.
Benutzimg anvertraut war. Sie bildet einen säubern reich verzierten
Pergamentcodex in Quart, nach dem Urtheile des verstorbenen
Jacobs aus dem XIV. Jahrhundert, und führt wie der jüngere
pariser Codex nur den Titel de naturis rerum, zu welchem
eine neuere Hand irrthümlich hinzugesetzt hat: Albertus Mag
n u s libri XX. Vom Prolog und den drei Büchern X, XI. XII.,
welche von den Pflanzen handeln, habe ich Abschrift genommen.
Die beiden Bücher XI, und XII. hat auch Henschel nach dem
rehdingerschen Codex copirt, und mir die Abschrift zur Vergleichung
mitgetheilt. Die Varianten derselben habe ich in meinem
Exemplar genau notirt, und daraus die Ueberzeugung gewonnen,
dass zwar beide Handschriften im Ganzen zu den bessern gehören,
doch keineswegs fehlerfrei sind, wie das bei besonders sauber geschriebenen
Büchern, in die man hinein zu corrigiren sich scheute,
so oft der Fall ist. Wo beide von einander abweichen, hat zwar
meist der ältere rehdingersche, doch nicht selten auch der jüngere
gothaer Codex bald die richtige, bald die der richtigen näher kommende
Lesart.
Ueber des Werkes wahren Verfasser schwankte man
nicht nur, wie die Handschriften verrathen, in älterer, sondern
auch noch in neuer Zeit. Bald sollte es Albert der Grosse, bald
Bartholomäus Anglicus, bald Wilhelm von Moerbek sein^ die
Histoire littéraire de la France (XIX, pag. 183) begnügt sich noch
1838 daran zu bezweifeln, dass Thomas de Cantiprato der Verfasser
sei, ohne es einem andern beizulegen, obgleich kurz zuvor
Jourdain (pag. 64), früher schon Echard (I, pag. 251) und noch
früher Petrus de Prussia (cap. 43, pag. 294) unw^iderleglich erwiesen
hatten, Thomas sei wirklich der Verfasser. Und
diesen Beweis zu führen, bedarf es nicht einmal des Zeugnisses
alter Chroniken, auf die man sich berufen kann: ein einziger Blick
in den Prolog eines andern unbezweifelt ächten Werks von Thomas
de CantipratOj des Bonum universale de proprietatibus
apum, genügt dazu. Da sagt Thomas selbst: „Revolvi autem
librum illum de natura rerum, quem ipse multo labore per
annos quindecim de diversis auctoribus utilissime compilavi" und
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so weiter. Gleich darauf erzählt er, wie er das Kapitel dieses
(seines ältern Werks) zur Grundlage des neuen gemacht habe. Diese
Worte richtet der fromme gewissenhafte Mann noch dazu an seinen
hochverehrten Ordensgeneral Humbert, der das Werk de naturis
rerum approbirt haben musste, ehe es erschien; denn ein Mönch
durfte ohne Genehmigung seiner Obern nichts veröffentlichen.
Eine Unwahrheit ist hier also ganz undenkbar. Eben so eine Verwechselung,
denn was Thomas aus seinem Werk de naturis rerum
an jener Stelle anführt, steht genau so in dem unsrigen.
Von des Verfassers Leben sind wir zum Theil durch ihn
selbst ziemlich gut unterrichtet. Entsprungen aus ritterlichem Geschlecht,
ward er 1201 zu Leuwis bei Brüssel geboren, und schon
sehr früh, man sagt in seinem fünften Jahre, einer geistlichen Anstalt
zu Lüttich zur Erziehung übergeben. Oft hörte er hier die
Reden des ausgezeichneten Predigers Jacobus de Vitriaco,
damaligen Canonicus daselbst, spätem Bischofs von Acco in Palästina,
und endlich Cardinal-Bischofs von Tusculum, auf dessen
im Orient gemachte Beobachtungen ich noch zurückkommen werde.
Ihm schloss sich der Knabe mit ganzer Seele an, fühlte sich durch
ihn für den geistlichen Stand und die Studien begeistert, und
bewahrte die innigste Anhänglichkeit an ihn sein ganzes Leben
hindurch. Schon 1216 trat Thomas darauf als Canonicus in die
damals blühende, später zerstörte Abtei Cantimpré bei Cambrai,
wo er auch die Priesterweihe erhielt. Im Jahr 1232 liess er sich
zu Löwen in den Orden der Dominicaner aufnehmen, ward erst
nach Köln zu Albert dem Grossen, vier Jahr darauf nach Paris
gesandt, und kehrte 1240, doch ohne das Magisterium der Theologie
erworben zu haben, als Lector nach Löwen zurück. Er verwaltete
das Amt eines General-Predigers der Provinz Deutschland
oder, wie die Histoire littéraire de la France sagt, Deutschlands
Frankreichs und Belgiens, woraus bei Grasse ein Ordensgeneral
dieser drei Provinzen geworden ist. Sein Todesjahr, worüber nur
Vermuthungen existiren, wird sehr verschieden von 1263 bis 1293
ano-eo-eben. Nach der wahrscheinlichsten M Ö O einung mag er um
1270 gestorben sein.
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