208 B u c h x r v . Kap. 1. §.27. B u c h XIV. Kap. 1. §.27. 209
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a l l e n andern Nat ional -Li teraturen, anscheinend das reine
Verdienst dreier hoch hervorragenden Geister, denen jedoch von
aussen her vieles zu statten kam, wovon ich hier nur die Hauptniomente
im Vorbeigehen andeuten kann. Um dieselbe Zeit als
M a t t h ä u s Sylvaticus seine, wenn auch in manchem Betracht
lobenswerthen, doch geist- und geschmacklosen Pandekten der
Aledicin schrieb, im Jahr 1313, sang Dante seine göttliche Komödie;
bald nach Giacomo Dondi dichtete P e t r a r c a (geb.
1304, gest. 1374) seine Sonnette, Boccaccio (geb. 1313, gest.
1375) seinen Decamerone. Die bis heute nicht veralteten Muster
italiänischer Poesie und Prosa waren gegeben, und die Nation
nahm sie mit Begeisterung auf. Neben diesen zauberhaft schönen,
tiefsinnig erhabenen Schöpfungen des Geistes befriedigte die meist
so gehalt- wie formlose Literatur des Mittelalters nicht mehr. Man
erinnerte sich der alten Römer , auf die schon Dante^ ohne viel
von ihnen zu kennen und zu verstehen, zurückgedeutet hatte; man
fing an ihre Handschriften aus dem Staube der Bibliotheken hervorzuziehen,
und befleissigte sich selbst wieder eines reinem lateinischen
Stils, damals noch, besonders für wissenschaftliche Gegenstände,
einer unerlässlichen Bedingung des klaren Ausdrucks der
Gedanken. Denn wie hoch sich die italiänische Sprache mochte
emporgeschwungen haben, so wenig war man sich noch dieses
Vorzuges bewusst, dass Petrarca selbst seinen Nachruhm nicht auf
seine italiänischen Gedichte, sondern auf ein längst antiquirtes
lateinisches Heldengedicht zu gründen hoffte. Die Römer verwiesen
auf die Gr iechen; auch sie lernte man allmälig wieder
verstehen und bewundern, und es erschloss sich in ihnen , dem
Abendlande, wie nach langen schweren Träumen, eine verlorene
Weit. Von den Dichtern Philosophen Historikern und Rednern
beider Nationen, von denen man sich zuerst hinreissen Hess, wandte
man sich in rastloser Thätigkeit bald auch zu den stets hochgeehrten,
doch kaum noch weiter als den Namen nach bekannten
a l t e n Meistern der Naturwissenschaft, zu Aristoteles, tf '
Theophrastos, Dioskorides, Plinius.' Aber weit entfernt,'sich jedem
ihrer falsch oder richtig verstandenen Aussprüche wie früher
sklavisch zu unterwerfen, suchte man vielmehr ihre verdorbenen
Texte durch Vergleichung der Handschriften zu berichtigen, verglich
Einen Schriftsteller mit dem andern, stiess auf Widersprüche,
unterzog sich immer kühner und sicherer der Sach- wie der Wortkritik,
und that endlich den entscheidenden Schritt: man kehrte
von der überlieferten Naturwissenschaft zur Natur
s e l b st zurück.
Es war aber hohe Zeit die Bahn, deren Verlauf ich nur kurz
andeutete, einzuschlagen, und viele glücklich zusammentrefFende
Umstände mussten das Suchen nach Schätzen auf ihr begünstigen,
sollte der letzte mögliche Moment der Rückkehr zu den Klassikern
nicht unwiederbringlich verloren gehen. Bei der gänzlichen Vernachlässigung
dieser Literatur im Mittelalter, während Kriegsstürme
und Völkerwanderungen Italien und Griechenland auf das
furchtbarste verhehrten, waren viele Werke der Alten längst vernichtet,
andre existirten nur noch in wenigen oder einzelnen halb
vermoderten Exemplaren. Diese Trümmern zu retten, war die
Aufgabe, und ihr widmeten sich mit brennendem Eifer, mit Anstrengung
aller Kräfte, die beiden Freunde P e t r a r c a und Bocc
a c c i o 1). Was sie als Dichter geleistet, weiss jedermann; minder
bekannt, wiewohl unendlich viel höher zu schätzen, sind ihre
Verdienste um Erhaltung der wenigen schriftlichen Ueberreste des
römischen und griechischen Alterthums, woraus alle höhere Geistesbildung
der Neuzeit hervorging. Ein schönes Bild dieser Thätigkeit
und der mit ihr verknüpften Opfer liefern Petrarca's lateinisch
geschriebene Briefe 2), die noch immer keinen Uebersetzer,
nicht einmal einen kritischen Herausgeber des lateinischen Originals
1) Man sehe über ihre Leistungen vor allen Tirahoschi V, pag. 82,
das ganze Kapitel: Biblioteche e scoprimento di libri antichi ; nächstdem Reeren,
Geschichte des Studiums der classischen Litteratur J, Seite 258 ff,
2) Fr an ci si Petrarhae etc. opera quae exstant omnia. Basileae, excudehat
Eenrichus Petri. (am Schhiss) 1554, in fol Darin die sämmtlichen Briefe (von
pag. 631 — 1141), die in frühem Ausgaben noch nicht alle vorkommen. Die
hierher gehörigen Stellen eitirt Tirahoschi vol. V, 88 sqq. ziemlich vollständig,
und giebfc auch Auszüge daraus, übergeht jedoch manches Bemerkenswerthe.
M e y e r , Gescht d, Botanik. IV. 14
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