
rung, die mit den Sitten des Orients im Widerspruch steht,
nach denen seither der weibliche Theil der Bevölkerung
immer auf die nächste Umgebung ihrer Wohnstätte beschränkt
blieb. Aber die gewaltsame Zerreissung der Familienbande
durch den Soldatendienst und die Noth der
verlassenen Weiber, die sie zwingt, sich selbst nach Nahrung
umzusehen, veranlassten dieses Wanderleben der
Ägypterinnen, dessen unausbleibliche Folgen ein allgemeines
Sittenverderbniss, die vorherrschende Gleichgültigkeit
gegen eine geregelte eheliche Verbindung und
somit auch eine noch grössere Verminderung der Landesbevölkerung
seyn müssen. Die starke Abnahme der Letzteren
gibt sich zugleich mit der allgemeinen Verarmung
ohnediess schon überall auf eine betrübende Weise zu
erkennen. In den vielen grossen Dorfschaften, welche
namentlich in Unteregypten ungemein zahlreich sind, sieht
man oft ein ganzes-Drittel verlassen und verfallen, und
bei den in den ändern beiden Dritteln wohnenden Landleuten
gewahrt man die drückendste Armuth. Von dem
Silberschmuck, der sonst bei allen Frauen der niederen
Volksklassen ungemein häufig zu sehen war, findet sich
nirgends mehr eine Spur; ja selbst jeder sonstige Hausrath
ist aus den Hütten der Dörfer fast ganz verschwunden;
das verwirrte Geschrei der vor Zeiten zahlreichen Schaa-
ren von verschiedenem Hausgeflügel, das dem Reisenden
bei jedem Dorf entgegentönte, ist verstummt, und auch
der andere Viehstand hat sich allenthalben verringert:
er wurde hingegeben, um die geforderten Abgaben zu
erschwingen. Auch die Dattelhaine werden lichter, weil
die vielfache Besteuerung ihrer Producte dem Landmann
keinen Gewinn übrig lässt und somit Niemand daran denkt,
die abgehenden Bäume durch neue zu ersetzen. Nur die
prachtvolle grünende Flur ist sich gleich geblieben, und
gewährt nach vor wie den herrlichsten Anblick, wenn in
der Winterzeit, nach günstig gewesener Ueberschwemmung,
jeder einzelne Acker den Ausdruck der üppigsten Vegetation
darbietet. Die schönsten Weizenfelder wechseln
mit duftenden Bohnenpflanzungen, mit Fluren hochstenge-
ligen Hanfes und mit dunkelgrünen Kleewiesen; auf
den letzteren lagern zerstreuet fette Büffel und anderes
Vieh, gewöhnlich von kleinen Familien weisser Reiher
(Ardea bubalis Cuv.) umgeben, die auf Heuschrecken
und andere Insekten Jagd machen, und ohne Scheu
vor den Menschen mit den Viehheerden gemeinschaftlich
zu leben scheinen. Stellenweise zeigen sich Lachen, die,
ein Ueberbleibsel der Ueberschwemmung, von vielen kleinen
Fischen belebt sind, auf welche der buntscheckige
grosse Eisvogel (Alcedo rudis Linn.) mit grösser Geduld
Jagd macht. Am Saume einer Schilfgruppe wartet der graue
Reiher (Ardea cinerea) in melancholischer Stellung auf
die Neige des Tags, um in dem Wasserpfuhl Beute zu
machen. An die Schlammdünen ausgetrockneter Canäle
lehnt sich eine üppige Strauchvegetation von Ricinus und
ändern Dornbüschen an, in der sich zahllose girrende
Tauben gegen die gierigen Habichte schützen. Schon aus
der Ferne her wird das Herannahen eines Fremden durch
das Zetergeschrei verkündet, mit dem der Flügelsporn
tragende Regenpfeifer (Charadrius spinosus) in gaukelndem
Fluge die Aufmerksamkeit von seinem Neste abzulenken
sucht. Am Rande des Horizonts gruppiren sich die
Bienenkorb ähnlichen Erdhütten der Dörfer, von dünn-
stämmigen Dattelpalmen überragt; und ist es ein Dorf von
nur einigem Belang, so erhebt sich aus demselben fast
jedesmal eine weissgetünchte Moschee mit schlankem Mi