
seyn solle, da ja doch nach meiner Versicherung Pferde,
Esel, Rindvieh und andere von ihren Hausthieren auch
bei uns im Ueberflusse gehalten würden. Der Gouverneur
selbst richtete bei dieser Gelegenheit mehrere, zum Theil
höchst drollige Fragen àn mich, die seine vollkommene
Unwissenheit in Betreff alles dessen, was ausserhalb Abyssinien
existirt oder vorgeht, zugleich aber auch mitunter
den dümmsten Nationalstolz verriethen. So that er unter
Ändern folgende Fragen: Warum kommt euer Landesfürst
nicht persönlich nach Gondar, um unserm grossen Kaiser
seine Hochachtung zu beweisen? Sind die sieben Selbstherrscher,
unter welche das Frankenland zertheilt ist, so
mächtig als der Näib vonMassaua? Fürchtet ihr Europäer
euch nicht, dass Mehemet Ali Pascha euer Land mit Krieg
überziehe, es ausplündere und euch als Sklaven na«h
Egypten führe, wie er es mH den Bewohnern von Senaar
und Kordofan gemacht hat? Auch auf religiöse Gegenstände
kam zu meinem grossen Bedauern die Rede, und
mir ward namentlich die für die Abyssinier so wichtige
Streitfrage vorgelegt, ob Jesus Christus gleich bei der
Geburt durchaus göttlicher Natur gewesen sey oder eine
doppelte Natur gehabt habe, und ob die Taufe durch den
heiligen Johannes im Jordan einen Einfluss hierauf gehabt
habe. Auch ward ich angelegentlichst befragt, welches in
unserm Lande das Verhältniss der Mahommetaner zu den
Christen sey, und warum die Europäer nicht Jerusalem
den Händen der Ungläubigen entrissen, da jene nach
meiner Versicherung ja so viel mächtiger seyen als diese,
und die Stadt, in welcher die christliche Religion gestiftet
wurde, doch auch für heilig hielten.
Ich suchte mich aus dem Labyrinth von Fragen, deren
Beantwortung bei meiner Unkenntniss der Sprache und
bei der beschränkten Fähigkeit meines Dolmetschers gewiss
wenig Befriedigung gewährte, sobald als möglich zu retten,
und lenkte zu diesem Behufe die Unterredung auf einen
ändern Gegenstand. Ich erklärte nämlich dem Gouverneur,
dass ich einige medicinische Kenntnisse besässe, mit welchen
ich bei vorkommenden Fällen ihm und solchen Personen,
die er mir anempfehlen würde, dienlich zu seyn
wünschte; zugleich bat ich aber, mich vor dem Andrang
anderer Personen zu schützen, indem ich tlieils nicht Zeit
genug hätte, um Vielen Dienste leisten zu können, theils
auch die von mir mitgebrachten Médicamente nur für den
Bedarf einer kleinen Zahl befreundeter Personen berechnet
seyen. Der Gouverneur sagte mir, dass er selbst meine
ärztliche Hülfe sogleich in Anspruch nehme, indem er
einige Zeit vorher durch einen Sturz vom Pferde das
Schenkelbein gebrochen habe, und dieses Glied, obgleich
es durch einheimische Aerzte wieder zusammen geheilt
sey, noch immer so schwach wäre, dass er nur mit Hülfe
eines Stockes zu gehen vermöge. Ich erwiederte darauf
augenblicklich, dass der Hauptgrund davon in seinem vorgerückten
Alter liege, und dass ich zwar durch Salbeneinreibungen
ihm einige Besserung zu verschaffen hoffen
könne, das Uebel ganz zu heben aber der Natur der Sache
nach unmöglich sey. Beim Weggehen versicherte er mich
zu wiederholten Malen, dass er es sich zur Pflicht machen
werde, mir bei jeder vorkommenden Gelegenheit dienlich
zu seyn; ausserdem machte er mich ganz besonders darauf
aufmerksam, dass ich ja alle nöthigen Einkäufe von Le-
' bensmitteln nur durch vertraute von ihm mir anzuempfehlende
Diener besorgen lassen sollte, indem ich sonst sehr
betrogen werden würde; denn, fügte er hinzu, die meisten
hiesigen Abyssinier sind ganz schlechte Leute und einer