
Binsenstroh bedeckt, welches mit Myriaden von Flöhen
bevölkert ist. Uebrigens schätze ich die Häuserzahl der
Stadt auf zweihundert und fünfzig, und man kann demzufolge
die Einwohnerzahl derselben auf eintausend zweihundert
Köpfe anschlagen.
Nachfolgende Episode kann theils zur Charakteristik der
Abyssinier dienen, theils gebe ich sie, um sie demjenigen
entgegenzustellen, was der Missionar Gobat*) von meinem
Reisegefährten Getana Meriam erzählt. Bekanntlich ist die
Blutrache in gänz Abyssinien, wie in den meisten ändern
uncivilisirten Ländern, allgemein herrschend, und eine ausgebreitete
und mächtige Verwandtschaft wird daher hier
als ein höchst bedeutendes Schutzmittel betrachtet. Getana
Meriam, der Grosshändler von Gondar, in dessen Gesellschaft
ich dermalen reiste, hatte desslialb bei seinem letzten
hiesigen Aufenthalt (Anfangs December 1831), zur
bessern Sicherheit seiner Person und seines Eigenthums
es für erspriesslich erachtet, irgend eine Verwandtin des
Detjatsch Sabagadis zu heirathen, und durch Vermittlung
einer gewissen Tackelit von Adowa, die jetzt bei dem
Missionar Gobat wohnte, und in deren Haus derselbe auch
zu Gondar einquartiert war, wirklich ein junges Mädchen
aus Sabagadis Familie zur Frau erhalten. Im Vorbeigehen
bemerke ich, dass dieses die neunzehnte Frau war, die er
nach abyssinischer Art ehelich, das heisst öffentlich und mit
Wissen und Zustimmung der Eltern heirathete, und dass
er in Gondar und der Umgegend dieses Ortes noch mehrere
Weiber hatte. Als er einige Tage nach der Vermählung
mit der Handelskaravane nach Massaua weiterreiste,
liess er seine neue junge Gattin bei ihren Angehörigen
*) In seinem Missionsberichte, Basel 1834, pag. 256.
zurück, mit der Versicherung, dass er sie bei seiner Rückkehr
mit nach Gondar nehmen werde; jetzt aber wollte
er nichts mehr von ihr wissen und trotz aller Vorstellungen
ihrer Eltern sie nicht mitnehtnen: nicht etwa, weil
gegen ihr Wesen oder ihre Aufführung etwas zu sagen
gewesen wäre, sondern weil die Zeitumstände sich geändert
hatten, Sabagadis Familie nicht mehr zur Obergewalt
in Tigré gelangen zu können schien, und somit der ganze
Zweck der Verehelichung verfehlt war. Nach vielem Wortwechsel
verständigte er sich mit den Eltern des Mädchens
endlich dahin, dass er der jungen Frau, statt sie mitzunehmen,
drei Species-Thaler zahlte. — Unter den Einwohnern,
welche unserer Karavane Lebensmittel in kleinen
Quoten, das heisst für den Werth von etwa sechs Kreuzern,
verkauften, befand sich zu meinem grossen Befremden
auch eine leibliche Schwester jenes Detjatsch Sabagadis,
der nach der Oberherrschaft von ganz Abyssinien strebte
und mit der englischen Regierung Bündnisse schliessen
wollte; man mag daraus ermessen, was unter der hohen
abyssinischen Noblesse zu verstehen ist, von welcher Bruce
und Salt öfters sprechen.
Die Abwesenheit des Detjatsch Oeled Michael, der,
wie vorstehend bemerkt, seit kurzem auf einem Raubzug
gegen seinen Oheim Saghedu begriffen war, überhob mich
nicht der Obliegenheit, das für ihn bestimmte Geschenk
abzugeben, welches aus ganz feinem Scharlachtuch, englischem
Pulver und schönen geschliffenen Krystall-Karaf-
fen bestand. Wäre dieser Häuptling in Ategerat gewesen,
so würde er mir dagegen vielleicht die Zahlung des gewöhnlichen
Durchgangszolles erlassen haben; so musste ich aber
nicht allein diesen im Betrage von dreizehn Thalern entrichten,
sondern auch mich noch zu einem Bestechungs