
.§• 3.
Skizzenartige Bemerkungen über Unteregypten.
Wenig-e Städte haben in ihren äussern und innern Verhältnissen
während eines kurzen Zeitraums eine grössere
Umgestaltung erhalten, als A le x a n d rie n . Während in
den letzten zwanzig Jahren die Einwohnerzahl aller egyp-
tischen Ortschaften in Folge des durch Bedrückungen ver-
anlassten Elends und der übermässigen Rekruten-Aushebung
auf eine sehr auffallende Art abgenommen hat, ist in Alexandrien
die Bevölkerung in dem nämlichen Zeitraum beinahe
auf das Doppelte gestiegen; man schlägt dieselbe jetzt auf
mehr als 60,000 Seelen an. Die grosse Entwickelung, die
Mehemet Ali seiner neugeschaffenen Marine gab, ist die
Hauptursache davon. Egypten, das früher vor der Herrschaft
dieses Paschas kein einziges bewaffnetes Schiff besass,
hat jetzt im Hafen von Alexandrien eine ansehnliche Flotte
von Kriegsschiffen liegen, die theils in dieser Stadt, theils
in Europa gebaut sind. Ungeheuere Anlagen wurden für
die Schiffswerften ausgeführt; aber weil es in kurzer Zeit
geschah, so trägt auch Alles das Gepräge der grössten Eilfertigkeit,
wie wenn diese Werke nur für eine ephemere
Dauer und im blossen Interesse der Gegenwart errichtet
wären. Als ich im Frühjahr 1831 in Egypten ankam, arbeitete
man gleichzeitig an der Erbauung von fünf Linienschiffen,
unter denen zwei Dreidecker waren; die Uebereilung,
mit welcher man dabei verfuhr, veranlasste die gröbsten
Fehler, und hatte namentlich zur Folge, dass das eine dieser
Linienschiffe, welches erst vor einem Jahre den Stapel
verliess, täglich fünf Fuss Wasser macht, und dass ein anderes,
das 140 Kanonen von schwerem Kaliber führen sollte,
mehr Wasser nöthig hat, als in der Hafenmündung vorhanden
ist, und somit, obgleich ein kostspieliges Werk, ganz
nutzlos dasteht. Die ganze Flotte des Pascha ist fortwährend
complett bemannt, meistens aber mit Menschen, denen
der eigentliche Seedienst fremd ist, und die gegen eigene
Neigung zu demselben gezwungen wurden; daher geschieht
es denn häufig, dass fast bei jeder See-Excursion die gröbsten
Fehler in der Ausführung der Manoeuvres vorfallen. In
dem letzten Kriege zwischen Mehemet Ali und der Pforte
zeigte sich keine Gelegenheit, praktisch zu erkennen, von
welchem Nutzen die egyptische Flotte in einem Gefechte
seyn kann; sicherlich ist dieselbe den türkischen Schiffen
weit überlegen; wenn aber Schmeichler die Meinung äussern
, dass selbst bei einer ernstlichen Differenz mit einer
grösseren europäischen Seemacht die Flotte dem Pascha Vortheile
verschaffen werde, so kann man diese Idee nur als
eine lächerliche Abgeschmacktheit bezeichnen.
In der Area des Arsenals gewahrt man stets ein interessantes
buntes Ge wühl von Menschen verschiedener Nationen,
welche alle in .den zahllosen Werkstätten der ausgedehnten
Schiffswerften beschäftigt sind..Unter ihnenist die Zahl der
Europäerjetzt von geringem Belang, wenn man die Griechen
ausnimmt, für welche Alexandriens Rhede dermalen eine
Haupterwerbsquelle ist. Für die vielen Arbeiter des Arsenals
sind wieder in der Stadt selbst zahlreiche Speisehäuser, Tabaksbuden
und kleineKramläden entstanden. In derNähe des
Arsenals und auf dem Raume zwischen der äussern und
innern Linie der Festungswerke befinden sich viele Gruppen
dicht zusammengedrängter Hütten von jämmerlicher Bauart,
' welche wenige Schuh Höhe haben, von Erde und einigen
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