
gelebt hat, kann es leugnen, dass in den letzten achtzehn
Jahren dieser ausgezeichnete Mann unausgesetzt und ohne
Rücksicht auf Kosten bemühet war, jenen Zweck zu erreichen,
welches ihm um so mehr zum Ruhme gereicht, da eine
solche Tendenz mit dem Nationalcharakter der Türken und
ihren religiösen Principien so wenig vereinbar ist. Ob übrigens
dabei des Pascha’s wirkliche Absichten diejenigen
waren, welche jeneJPanegyriker ^josi/ßcfwm in ihren Köpfen
ausgrübelten, und ob die Resultate dieser seiner Bemühungen
so beschaffen sind, wie jene Schriftsteller sagen, ist eine
Frage, die einer sorgfältigen und unparteiischen Untersuchung
bedarf.
Im Jahr 1815 liessen sich^wie bereits erzählt ward, verschiedenerlei
Europäer in Egypten nieder; nähere Bekanntschaft
mit denselben brachte den Pascha zu dem Entschluss,
alles Mögliche zu versuchen, um sein Land in industrieller
Hinsicht von Europa unabhängig zu machen, und veranlasste
so die Anlegung verschiedener Fabriken. Alsbald jedoch
erkannten er und seine vertrauten Rathgeber, dass die Belehrungen,
welche die Eingeborrien durch die mit schweren
Kosten herbeigezogenen europäischen Werkleute erhielten,
wenig fruchteten, weil jene aller Vorkenntnisse entbehrten ;
und diess bewog den Pascha, gegen Ende des Jahres 1817
eine beträchtliche Anzahl egyptischer Knaben nach Italien
zu schicken, wo sie eine Art europäischer Erziehung erhalten
und jeder einzelne in einem besondern Gewerbe unterrichtet
werden sollten, uro dann später die erlangten theoretischen
Kenntnisse in der Heimath praktisch in Anwendung
zu bringen. Leider entsprach das Resultat dieser Sendung
keineswegs den gehegten Erwartungen; die meisten jener
Zöglinge verfielen in Liederlichkeit, lernten wenig und
starben überdiess grossentheils bald nach ihrer Rückkehr.
Man glaubte den Grund des Misslingens dieses ersten Erziehungsversuchs
darin zu finden, dass jene jungen Leute ohne
alle Elementarkenntnisse nach Europa gekommen wären,
und desshalb aus dem ihnen daselbst zu Theil gewordenen
speciellen Unterricht keinen Nutzen hätten ziehen können;
daher ward zu Boulak bei Cairo in einem weitläufigen
Palaste des Ismail Pascha im Jahr 1819 eine Art von Semi-
narium angelegt, in welchem fortan theils durch arabische
und türkische Litteraten, theils durch europäische Lehrer
eine bedeutende Anzahl von Knaben in den Elementarwissenschaften
unterrichtet wurde. Hauptgegenstände des
Unterrichts waren die Grammatik der türkischen und arabischen
Sprache, Arithmetik, Geometrie, Zeichnen, Nätur-
lehre, Erdkunde und die französische und italienische,
Sprache. Die Hauptleitung dieser wissenschaftlichen Erziehungsanstalt
erhielt Osman Effendi, einer der Zöglinge, die
Mehemet Ali zum Behuf von Studien auf mehrere J ahre nach
Paris geschickt hatte, und einer der wenigen von ihnen,
welche von diesem Aufenthalte einen wirklichen Nutzen
zogen. Später ward jenes egyptische Athenaeum von Boulak
in das? weitläufige Gebäude Casser-el-Ain verlegt, und unter
die Aufsicht eines talentvollen ungarischen Renegaten, Namens
Achmet Effendi, gestellt, nachdem Osman Effendi mit
dem Titel eines Begs an das Kriegsministerium versetzt worden
war, um an der Organisation der neugebildeten regulir-
ten Truppen Theil zu nehmen. In dieser Unterrichtsanstalt
haben alle die jungen Egypter ihre erste Bildung erhalten,
welche in den letzten zwölf Jahren mit verschiedentlichem
Erfolg zur Vollendung ihrer Studien nach England und
Frankreich geschickt wurden.
Anfangs hielt es dem Pascha sehr-schwer, die Familienväter
zu bewegen, ihre Knaben in die Unterrichtsanstalt
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