
für ein weit entlegenes Land ? Die Persönlichkeit eines
einzigen Mannes — Mehemet Ali’s.
Unsere Zeitgenossen, die sich so eifrig bemühen, der
Nachwelt über jede Angelegenheit der Gegenwart gedruckte
Berichte zu überliefern, haben auch Egypten reichlich mit
Schriften bedacht. Eine Menge Eeisebeschreibungen und
Abhandlungen haben dieses Land zum Gegenstand; die
verschiedenen Verhältnisse desselben sind in mehreren
Sprachen vielfach besprochen worden; und eine neue Schrift
über Egyptens Zustände hat desshalb grossen Ansprüchen
Genüge zu leisten, um als eine willkommene Ers' cheinun»Ö- betrachtet zu werden. Ich habe seither vermieden, mich
öffentlich über Mehemet Ali und seinen Staat auszusprechen,
obgleich ich zehn Jahre lang in Ländern umhergereist bin,
die theils seiner unmittelbaren Herrschaft, theils seinem
Einflüsse unterworfen sind. Dieses Schweigen, welches
Manchen befremdete, hatte seinen Grund in meiner seitherigen
Ungewissheit, ob ich nicht je wieder durch eine neue
Reise nach Afrika in den Bereich eines directen Einflusses
dieses Satrapen gelangen könnte, für welchen Fall ich mich
hüten musste, mir durch ein unabhängiges Urtheil seine
Missgunst zuzuziehen. Jetzt erst, da ich mich hierüber
bestimmt entschieden habe, bin ich im Stande, mit rücksichtsloser
Freimüthigkeit mein Urtheil über diesen ausgezeichneten
Mann auszusprechen. Ich glaube aber nun auch
meine Meinung über ihn und seine Regierung dem Publikum
nicht länger vorenthalten zu dürfen, da ich nicht unwichtige
Beiträge zur Kenntniss des jetzigen Zustandes eines so
höchst interessanten Landes zu liefern vermag. Und so will
ich denn versuchen, in möglichster Kürze, und indem ich
mich auf Mittheilungen beschränke, deren Äuthenticität
ich verbürgen kann, eine Geschichte de neuesten politisehen
Ereignisse in Egypten zu geben, und den administrativen
Zustand dieses Landes darzustellen.
Noch vor nicht gar langer Zeit richtete man nur Fragen
wie die nachfolgenden an den aus Egypten zurückkommenden
Reisenden: Hast du die Pyramiden gesehen ? wie
hoch ist die grösste ? Was glaubst du in Betreff ihres Zwek-
kes ? waren es Kornkammern ? Sternwarten ? Grabdenkmäler
? oder sind es nichts als natürliche Krystallisationen
der Felsmasse ? Ward der Tempel von Tenthyris vor 2000
oder vor 6000 Jahren erbaut? Solche und ähnliche Fragen
sammt dem Gefolge von, jetzt meist definitiv entschiedenen,
Meinungen und Hypothesen, die mit ihnen Zusammenhängen,
sind nunmehr in den Hintergrund getreten, und ganz andere
Dinge beschäftigen jetzt vorzugsweise die Wissbegier des
europäischen Publikums hinsichtlich Egyptens. Man will
wissen, an wen und zu welchem Preise Mehemet Ali den
etwaigen Ertrag der nächstjährigen und nächstfolgenden
Baumwollenerndte verkauft hat, ob er wirklich das Ausgraben
der Alterthümer, gleich allen Natur - und Industrie
Erzeugnissen Egyptens zum Monopole gemacht, und
so vielen mit Antiken Handel treibenden Europäern eine
ergiebige Quelle abgeschnitten hat; welches Land er neuerdings
zu bekriegen beabsichtigt, um demselben das Glück
einer von ihm begründeten Civilisation zu Theil werden
zu lassen; — mit einem Wort, das Thun und Lassen einer
einzigen Person — des Mehemet Ali Pascha, ist der vornehmste
und fast der einzige Gegenstand des Interesses,
welches man jetzt an Egypten nimmt; er ist der Centralpunkt,
auf welchem sich die ganze Aufmerksamkeit hinsichtlich
dieses Landes vereiniget; und über ihn muss man
desshalb vorzugsweise sich aussprechen, wenn man dem
gebildeten Publikum Europa’s Genüge leisten will.
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