
bricht, ist in Abyssinien ein ziemlich allgemeiner Gebrauch ;
es geschieht aber bei Allen, die ich zu beobachten Gelegenheit
hatte^ Getana Meriam nicht ausgenommen, nur aus
der heuchlerischen Absicht, der Menge zu imponiren, und
hängt so wenig mit wahrer Frömmigkeit zusammen, dass
ich mich sogar für berechtigt halte, späteren Reisenden
Misstrauen gegen jeden Abyssinier anzuempfehlen, den sie
diesem täglichen Augendienst obliegen sehen.
Am Morgen des nächsten Tages (30. April) betrug
unser ganzer Wegsmarsch nur ein und einviertel Stunden,
weil in der Nacht zwei unserer Miethkameele entlaufen
waren, die nun aus der am benachbarten Brunnen Oha
weidenden Herde durch andere ersetzt werden sollten.
Wir gingen direct südlich, eine breite Thalfläche entlang,
die auf allen Seiten von Glimmerschiefer-Anhöhen eingeschlossen,
und von mehreren tief eingewühlten, damals
aber trockenen, in südöstlicher Richtung ziehenden Flussbetten
durchschnitten war. An den Böschungen dieser
Betten lagen viele grosse Lavagerölle, Felsmassen von
Hornstein und Quarzblöcke; und an einem derselben, der
mir Sagtou benannt ward, erhob sich ein niederer iso-
lirter Hügel von Glimmerschiefer, in welchem garbenförmig
liegende lange Amphibol-Crystalle, denjenigen am Gotthard
in der Schweiz ganz ähnlich, eingewachsen waren.
Unser heutiger Lagerplatz hiess H e d a le , und war eine
kleine Fläche voller Dornbäüme, unter welchen häufig
JElephantenlosung zerstreut lag. Ein und eine halbe Stunde
süd-südöstlich liegt eine mit Futtergras reichlich bewachsene
EbeneNamens W oha oder Oha, zu der ich mich
am Nachmittage in Begleitung der Wasserträger begab.
Eine steil eingesenkte Tbonschieferschichte hält hier die
unter der Bodenfläche durchsickernde Wassermasse auf, so
dass sie hundert Schritte lang über der Oberfläche hin-
fliesst; desshalb kommen täglich zahlreiche Viehherden,
welche theils den Bewohnern von Ax-kiko und den Sa-
hortu’s, theils den Schoho’s zugehören, hierher. Ansiedelungen
gibt es in dieser Gegend nicht; allein einzelne
Gruppen wild wachsender Dattelpalmen lassen vei'muthen,
dass einst Menschen hier gewohnt haben. Bei Oha vorbei
führt der directe Weg von Axum über das Taranta-Gebirg
nach Adule, und zwar geht man von hier nach dem letzteren
Ort über eine bequeme Fläche die Thalabflössung entlang.
Wir wurden heute durch den Besuch vieler Schoho’s
belästiget, wobei dieselben alles Mögliche versuchten, um
Geschenke von mir zu erpressen. So suchten sie mir z. B.
mehrere Schafe und Milch aufzudringen; glücklicherweise
hatten mich aber meine Reisegefährten gewarnt, von ihnen
anders als gegen bestimmt abgemachte Bezahlung etwas
anzunehmen, da solche Schenkungen nur ein Kunstgriff
seyen, um nach deren Verbrauch mit Gewalt eine Vergütung
von einem oft zehn bis zwanzigfachen Werthe zu
erpressen. Uneingedenk dieser Warnung kostete ich von
einer Schale Milch, weil einer der Schoho-Dehlil’s, welcher
mich von Arkikö aus begleitete, um für meine Sicherheit
zu stehen, mich darum dringend bat und die Bemerkung
hinzufügte, dass er der Eigenthümer dieser Milch sey, und
es eine Beleidigung für ihn wäre, wenn ich von derselben
gar nichts tränke. In der Folge ward ich, als ich nach
unserer Ankunft zu Halai meine Belohnungsgeschenke
austheilte, gezwungen, für diese Milch einen halben
Species-Thaler zu bezahlen, weil ein anderer Schoho,
durch mehrere Zeugen unterstützt, erklärte, dass dieselbe
meinem Dehlil gar nicht gehört habe, und ich also dem
wirklichen Eigenthümer für den Genuss derselben min