
rungsforderungen oder durch die Behörde des Dorfes verkauft
werden darf, und zwar ganz und gar nach Gutdünken,
ohne Rücksicht darauf, ob auf eine andere Weise vielleicht
ein besserer Preis zu erhalten seyn möchte, und ohne dass
der Besitzer seine Einwilligung dazu zu geben hat. In Folge
davon wird gewöhnlich das sequestrirte Eigenthum eines
Steuerschuldigen, das ein verrätherischer Nachbar bei ihm
aufzuspüren wusste, von dem Pächter der Steuern selbst
unter der Hälfte seines reellen Werthes angekauft. Diese
tyrannischen und empörenden Einrichtungen, aus denen die
Regierung Mehemet Ali’sdoch nur einen momentanen Nuz-
zen zieht, haben unter dem Landvolk eine Erbitterung erzeugt,
die um so gefährlicher ist, da jenes Verfahren den
gänzlichen Ruin des Eigenthums der Mehrzahl der Bevölkerung
nach sich zieht, und die Masse der Bewohner Egyptens
immer mehr demoralisirt.
Ausser den regelmässigen Auflagen und den ausserge-
wöhnlichen Requisitionen, mit denen die Grundstücke belastetsind,
werden seit dem Jahre 1822 nicht allein von jedem
Haus und jedem Gewerbe Steuern erhoben, sondern es
wurde auch der Verkauf der für die täglichen Bedürfnisse
in den Verkehr kommenden Producte mit einer beson-
dern Taxe beschwert. Ich meine damit nicht die Abgaben,
die an den Thoren der Städte von allen vom
Lande eingefdhrten Victualien erhoben werden, obgleich
auch diese in einem grossen Missverhältnisse zu den Verkaufspreisen
stehen, sondern eine andere, neuerdings eingeführte
Auflage, an der sich die Gesinnung Mehemet Ali’s
gegen seine unglücklichen Unterthanen recht klar erkennen
lässt. Wenn nämlich ein Landmann das so seltene Glück
hat, alle rückständigen Steuern bezahlt zu haben, und auch
nicht für solidarische Ansprüche wegen der Schuld irgend
eines lebenden oder verstorbenen Mitglieds seiner Gemeinde
von der Regierung oder den Pächtern in Anspruch genommenzu
seyn, so darf er zwar den übriggebliebenen Restseiner
Getreide-Ernte auf den regelmässigen Märkten beliebig
verkaufen, allein nur nachdem er für diese Vergünstigung
eine Abgabe in Geld entrichtet hat, welche 60 bis 80
Procent von dem Werthe dieser Cerealien beträgt! So muss
z.B.von dem Ardeb (Fruchtmass) Waizen, dessen gewöhnlicher,
noch im Jahr 1832 geltender Preis in Cairo und den
vornehmsten Marktplätzen Unteregyptens sich auf fünfundzwanzig
bis dreissig egyptische Piaster (damals etwa drei
und ein Drittel bis vier Gulden) belief, bei dem Verkaufe
eine Abgabe von achtzehn egyptischen Piastern an
die Regierung entrichtet werden, wodurch natürlich der
Waizen für den Consumenten um die beiläufig gleiche
Summe vertheuert wird ; von dem Ardeb Bohnen, dessen
Mittelpreis noch vorKurzem vierzehn bis sechzehn egyptische
Piaster war, muss beim Verkauf durch einen Producenten
eine Abgabe von dreizehn Piaster bezahlt werden u. s. w.
Es dürfte nicht unpassend seyn, bei dieser Gelegenheit
einer Thatsache Erwähnung zu thun, welche ebenfalls die
Gesinnung des egyptischen Regenten anschaulich macht.
Im Jahr 1833 blieb die Nilüberschwemmung beinahe gänzlich
aus, und weil demnach für das folgende Jahr nur ein
Theil der gewöhnlichen Ernte zu erwarten war, so gingen
die Fruchtpreise bedeutend in die Höhe; aber ungeachtet
dieser Theuerung hat Mehemet Ali für gut befunden, 60,000
Ardeb Getreide zur Ausfuhr zu verkaufen, weil Speculanten
durch die damalige Hungersnoth an den Ufern des schwarzen
Meeres ihm höhere Preise boten, als er wahrscheinlicher
Weise in Egypten hätte erhalten können!
Keinem Landmann ist es erlaubt, von seinem Dorfe weg