
benutzt wird, und der die Sandsteinterrasse auch hier zur
Unterlage dient. Diese begrenzt mit senkrecht abgerissenen
Wänden das romantische Thal S a h e t a. Der Abstieg in dasselbe
war einer der gefährlichsten Wege meiner ganzen
abyssinischen Reise, und ging einer beinahe senkrechten
Wand von ungefähr dreihundert Fuss Höhe entlang. Einige
der beladenen Maulthiere stürzten aufdiesem Wege, jedoch
wunderbarer Weise, ohne in den Abgrund zu rollen; und wir
gelangten nach einem höchst beschwerlichen Marsche endlich
glücklich in das reizende Thal, welches ein üppiger Wiesens
rund bedeckt, und in welchem wir O * unter einer schönen Baumgruppe, am Fusse der ¿teilen Felswand uns lagerten.
Der hier rieselnde Bach fliesst nach Südwesten ab, und war
von Halai an bis hierher das erste von uns gesehene AVas-
ser, welches dem Takazze-Strom und somit auch dem
Nil angehört. Wir hatten von unserm letzten Nachtlager
an bis hierher drei Stunden gebraucht, und diese Kürze
des Wegs, sowie der Umstand, dass wir uns frühe auf
den Marsch gemacht hatten, kam uns sehr zu Statten,
indem gleich nach Mittag ein starkes Gewitter mit Platzregen
ausbrach, und der Himmel den ganzen Rest des
Tags und die darauf folgende Nacht bewölkt blieb.
Mit dem Thale Saheta schien eine ganz andere Natur
zu beginnen; die hohen und nackten Felswände, welche
das enge Thal senkrecht begrenzten, contrastirten malerisch
mit dem üppigen, hier und da mit schönen, hochstämmigen
Baumgruppen besetzten, Wiesengrunde; das
Laubwerk war von mehreren, mitunter in lebhaftem Farbenglanz
prangenden Vögeln, die uns früher noch nicht
vorgekommen waren, belebt*), und an den Felsspalten sah
*) Lamprotornis leucogaster, Corythaix leucotis.
man zahlreiche Familien einer unbekannten Art grösser
Affen hin und her klettern, die sich durch zwei nackte
Hautstellen am Halse und der Brust auszeichneten*).
Am folgenden Morgen (30. Mai) brachen wir wegen
der feuchten, kühlen Witterung erst spät auf,, und ich erhielt
dadurch Gelegenheit zufällig die Reste eines alten
paganischen Cultüs zu beobachten. Frauen der Gegend
begaben sich nämlich in grösser Zahl an eine wasserreiche
Quelle, welche unter einer der. schönen Baumgruppen hervor
sprudelt, wuschen sich in derselben Hände und Füsse, und
warfen sich dann vor einem grob behauenen, würfelförmigen
und mit zwei elliptischen Vertiefungen versehenen
Sandsteinblock einige Mal. auf die Erde nieder. Dieser
Block ist vermuthlich eine Art Opferaltar. Ueber die Bedeutung
und den Ursprung dieser Ceremonie konnte ich
keine bestimmte Auskunft erhalten; die Abyssinier der
Karavane erklärten zwar, dass dieselbe ein Ueberrest heidnischer
Abgötterei sey, der sich unter den hiesigen Bewohnern
erhalten habe; sie wussten oder wollten aber mir
nichts Näheres darüber angeben. Ich muss desshalb recht
sehr bedauern, dass Gpbat, der doch so lange in dem
benachbarten. Ategerat verweilte, in seinem Missionsbericht
über diese Religionssecte, die vermuthlich eine der ältesten
des Landes ist, gar nichts mittheilt.
Kaum waren wir eine halbe Stunde lang in südsüdwestlicher
Richtung marschirt, als einegrosse Zahl bewaffneter
Eingebornen uns den Weg versperrte, und einen
Durchgangszoll von uns forderte; wir suchten sie vergebens
mit einem kleinen Geschenk von Pfeffer zu beschwichtigen,
*) Abgebildet- auf Taf. 2. der Säugethiere in meiner Schrift über
neue Wirbelthiere der Fauna von Abyssinien. 23