
von unserer Reisegesellschaft durch die verdünnte Luft im
mindesten jene Beschwerden zu erleiden hatte, von welchen
in so manchen Berichten über das Ersteigen ähnlicher
Höhen anderer Länder die Rede ist. Mag nfm überhaupt
die Existenz des in diesen geschilderten krankhaften
Gefühls als eines allgemeinen problematisch seyn, oder
dasselbe durch die nach den Breite-Graden verschiedene
Art und Intensität des Erdmagnetismus modificirt seyn,
oder endlich vielleicht auch durch locale und individuelle
Verhältnisse gesteigert und zuweilen mit Amplification geschildert
werden: genug, als eine von mir auf den Schneehöhen
von Abyssinien beobachtete Thatsache kann ich mit-'
theilen, dass hier zu Land, in einer mehr als dreizehntausend
französische Fuss betragenden Höhe, das Gefühl von
erschwertem Athemholen und beschleunigter Blutcircula-
tion mit Andrang nach dem Kopfe oder nach ändern
Extremitäten nicht empfunden wird, obgleich die stark
verdünnte Luft eine Schwächung der Schallschwingungenj
sowie sehr schnelle Veränderungen der Atmosphärilien
und ähnliche bekannte Erscheinungen hier wie überall hervorbringt.
Dagegen erinnerten hier die Nebelmassen, welche
in wenigen Augenblicken sich bilden, mit wachsender
Schnelle sich ausbreiten, und bald den ganzen benachbarten
Dunstkreis ausfüllen, mich an die ähnlichen Beobachtungen
auf meinen früheren Schweizerreisen, auf
denen ich übrigens, im Vorbeigehen bemerkt, eben so
wenig als bei meiner Anwesenheit auf dem Gipfel des
Aetna, in Folge der verdünnten Luft Beschwerden empfand.
Den ganzen Tag über, so lange es nicht regnete, umschwärmte
uns eine grosse Anzahl von Besuchenden; viele
von ihnen sassen auf schönen Pferden, und es schien mir,
dass sie eine Ehre darin setzten, mit diesen frisch weg
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über steile Bergpartieen zu galoppiren. Getana Menam
empfing von Mehreren Geschenke, die in Töpfen mit
Hydromel und Gerstenbier bestanden, und erwiederte dieselben
durch gläserne Flaschen mit Pfeffer. Viele Abys-
sinier unserer Reisegesellschaft erkauften sich hier bimförmige
Kappen von Ziegenhaar, die bis über die Ohren
gehen und das Gesicht gegen die schneidende Luft der
hohem, mit Schnee bedeckten Regionen schützen. *) Nicht
wenig befremdete es mich, dass das Ertappen von zwei
Dieben, die noch obendrein zu der angeseheneren Classe
der hiesigen Bewohner gehörten, unter der versammelten
Menschenmenge kein besonderes Aufsehen erregte, und
dass man, nachdem den Bestohlenen das Entwendete zurückgegeben
worden war, die Diebe unbestraft laufen liess.
*) Siehe die links stehende Figur auf Tafel 6; die rechts von ihr
befindliche trägt jenes aus einem Rohrgeflechte bestehende Schutzdach
gegen Schnee und Regen, dessen ich oben pag. 401 erwähnte. Die auf
dieser Abbildung dargestellte Landschaft ist in der Nähe unseres Lagerplatzes,
westlich vom Selki-Passe, aufgenommen. Im Hintergrund
liegt die mit dickem Schneebedeckte Kuppe des Buahat, vor derselben
aber die ihm gewissermassen als Basis dienende, fast senkrecht
abschüssige und mehrere tausend Fuss hohe Felsenwand, welche die
Nordgrenze von Simen bildet, mit einigen herabstürzenden Wasserfällen,
die mit jedem der berühmten schweizerischen rivalisiren
können. Den Vordergrund bilden vulkanische Felsenpartieen mit dazwischen
liegenden üppigen Kleewiesen und dem einzigen hier noch
vorkommenden Gesträuch, welches, wie schon bemerkt, mit Erica ar-
borea nahe verwandt ist. Hier und da erblickt man einige der fremdartigen
Gibarra-Pflanzen, welche theils in Blüthe stehen , tlieils noch
nicht ganz entwickelt sind, und den charakteristischen Schmuck der
hiesigen Vegetation bilden. Aus der Tiefe einer Thalschlucht unfern
des Vordergrundes steigt so eben das zuweilen plötzlich entstehende
Nebelgewölk auf, um eine der grossartigsten Scenerien zu verdecken,
die der nachbildenden Darstellung des Künstlers würdig ist.