
Erklärung fügte er dann die Worte hinzu: „Alle Abys-
sinier sind Spitzbuben und ohne Treue, Erkenntlichkeit
und Glauben.“ Eine so trostlose Charakteristik gab mir
dieser Seelsorger von einer Völkerschaft, unter welcher
er seit zwei Jahren lebte, und von der auch mein Geschick
nun gewissermassen abhing!
Trotz der bedenklichen Verhältnisse, in welchen ich
mich jetzt befand, benutzte ich doch meinen kurzen Aufenthalt
in dieser Gegend so gut als möglich, um Beiträge
zur Topographie derselben zu sammeln. Ich machte namentlich
einige astronomische Beobachtungen, welche für Ate-
gerat eine geographische Breite von 14° 16' 26" ergaben,
auch suchte ich mit mehreren Barometer-Beobachtungen
die Höhe dieses Ortes zu ermitteln, und fand, dass derselbe
ungefähr 7675 französische Fuss über der Meeresfläche
liegt. *) Die Stadt ist am Fusse eines terrassenförmigen
Sandsteingebirgs erbaut, welches von Nordwest
nach Süden zieht, und dessen horizontale Ablagerungen
das Auge während einer Strecke von vier Stunden verfolgen
kann; Westsüdwest von hier und in einer Entfernung
von drei Viertel Stunden hat ein vulkanischer Kegel,
A leq u a genannt und nach meiner Schätzung sich achthundert
bis tausend französische Fuss über das Niveau der
Stadt erhebend, die Sandsteinterrasse durchbrochen, und
mit seiner schwarzen Lavamasse überdeckt. Diese^ Bergkette
bildet die wahre Wasserscheide zwischen dem rothen
Meere und den Zuflüssen des Takazze-Stromes. Alles
Gewässer, welches sich in dem Wiesengrunde von Atege-
rat sammelt, fliesst in kleinen Gascaden nach Osten hin
♦
*) Ich sage ungefähr, weil das Resultat isolirter Barometer-Beobachtungen
nicht für ganz sicher angegeben werden kann.
ab, und vereinigt sich bald nachher zu einem beträchtlichen
Bache, der nach der Küste von Amphila läuft und
O u eret heisst. Etwa zehn Stunden ostnordöstlich von
Ategerat ragt ein hoher ausgezackter Gebirgskamm, Gon-
deg o n ta benannt, in die Lüfte empor, der mir wenigstens
eben so hoch als der Vulkan Alequa zu seyn schien.
Die Wohnungen von Ategerat liegen in einzelnen Gruppen
um den sogenannten Palast herum. Dieser ist, nach
unserer Weise zu reden, im Grunde nichts als eine grosse
Scheune, die in der Mitte eines von einer Mauer eingeschlossenen
elliptischen Hofraumes liegt. Er ward unlängst
von Sabagadis erbaut und ist vermuthlich eins der giöss-
ten Gebäude von ganz Abyssinien. Er besteht eigentlich
nur in einem einzigen Zimmer, das bei hundert Fuss lang,
dreissiff Fuss breit und eben so hoch igt, unfl. nur vermit-
telst der grossen geöffneten Flügelthür sein Licht erhält.
In der hintern Hälfte dieses Raumes, dessen Wände nicht
einmal getüncht sind, war der Fussboden mit Rohrdecken
belegt; das ganze Mobiliar desselben aber bestand aus
einer in der einen Ecke stehenden hölzernen Ruhebank,
auf welcher Sabagadis zu liegen pflegte, wenn er Audienz
ertheilte. Zu beiden Seiten des Eingangs sind ausserhalb
unter einem Strohdachvorsprung eine Reihe Ziegenhörner
in der Mauer befestigt, an welche seine sogenannte
Leibwache ihre Flinten aufhing. Eine kleine Thür führt
aus dem Hintergründe des Saales in ein angebautes niederes
und achteckiges Zimmer, welches auf drei Seiten
je ein kleines Fenster mit Holzladen hatte, und in das
der Fürst sich zurückzuziehen pflegte, um von wichtigen
Regierungsgeschäften auszuruhen. Aus diesem achteckigen
Zimmer führte ein Gang zu einem isolirten runden Hause,
das von einer der Lieblingsfrauen des Sabagadis bewohnt