
Die Angaben über Mehemet Ali, welche sich in den
modernen Schriften über Egypten finden, sind mitunter
höchst unvollkommene und fehlervolle Zusammenstellungen
; man rühmte mit Uebertreibung oder aus blosser Schmeichelei
seine Thaten, und sprach über seinen individuellen
Charakter meistens Ansichten aus, denen nur eine ganz
einseitige Beurtheilung des Erfolgs seiner Leistungen, oder
vielmehr der von ihm provocirten Neuerungen zur Basis
diente, In den meisten dieser Berichte werden dem Helden
des Panegyricus Pläne und Endzwecke untergeschoben, die
nur der erfindungsreichen Phantasie des Erzählers ihr Dasein
verdanken, und die zwar dem Sachkundigen und Urtheils-
fähigen als das erscheinen, was sie sind, von dem grösseren
Publikum aber leicht für baare Münze genommen werden,
indem solche Angaben durch ihre öftere Wiederholungen
nach und nach eine Art von Glaubwürdigkeit erlangen. Ich
habe, seit ich vor 21 Jahren zum ersten Mal Egypten bereiste,
es mir zur Aufgabe gemacht, ein treues Bild von dem Charakter
und den Unternehmungen Mehemet Ali’s zu entwerfen
; und sowohl mein langer Aufenthalt in jenem Lande, zu
sehr verschiedenen Zeiten und in der unabhängigsten Stellung,
als auch insbesondere die Offenheit und Aufrichtigkeit,
mit der man in früherer Zeit (1817) daselbst Mittheilungen
machte, und die nahe Berührung, in welche ich mit den
einflussreichsten und bei allen wichtigen administrativen
Veränderungen zum Theil am meisten thätigen Personen
aus der Umgebung des Pascha gekommen war, machten es
mir möglich, von den meisten Thatsaclien specielle und
authentische Nachrichten zu erhalten. *) Die nachfolgende
*) Ich war unter ändern genauer bekannt mit Herrn A s i s , dem
Dolmetscher des englischen Residenten, und mit Herrn Assalin, dem
Darstellung der egyptischen Angelegenheiten gründet sich
somit auf genaue Kenntniss der Verhältnisse und sichere
Daten. Ich beginne dieselbe mit einer Skizze der politischen
Laufbahn Mehemet Ali’s. Diese ist ebensowohl der
beste Leitfaden, um zu erkennen, wie nach und nach der
jetzige Zustand von Egypten entstanden, als auch schon
aus ihr mit Sicherheit zu entnehmen ist, welche Zukunft
dieses Pascha’s Regierung dem Lande verspricht; und beides
ist es ja gerade, woran das grössere Publikum am meisten
Interesse nimmt.
Nach der Vertreibung der französischen Invasions-Armee
durch die vereinten Streitkräfte der Engländer, Türken,
albanesischen Truppen und theilweise der Mammelucken,
entstand, wie bekannt ist, unter den drei letztgenannten Parteien
eine Art von Wettstreit über den Besitz der unmittelbaren
Verwaltung Egyptens. Dieses Land wurde von allen
Parteien für nichts als eine reiche Besitzung angesehen,
deren Bestimmung es sey, von despotischen Milizen parasitartig
ausgesogen zu werden. Der treulose Mord, welchen
der türkische Grossadmiral an einem Theil der mit ihm verbündeten
Mammelucken-Begs in der Rhede von Aboukir
(1802) verüben liess *), hatte nur allzu deutlich die Absichten
französischen Consularagenten; ich wohnte lange bei Herrn Farker
in Bamiatte, Consul mehrerer Mächte, bei Herrn Mes s a ra in Cairo,
dem ehemaligen Dolmetscher des Mammelucken-Begs Berdissi, sowie
bei Abdyn Be g, dem Statthalter von Dongola. Auch war ich eingeführt
in dem Hause des bekannten venetianischen und östreichischen
Consuls Ro s e t t i . Alle diese Männer sind nun schon längst todt, und
ich begehe daher keine Indiscretiön, wenn ich ihre vertrauten Mittheilungen
jetzt veröffentliche.
*) Siehe hierüber die ausführlicheren Angaben eines Augenzeugen,
Sir William Hamilton’s, in dessen Egyptiaca pag. 6.