
nun angelegentlichst, aus den Bewohnern Egyptens ein
nach europäischer W eise organisirtes Heer zu bilden; und um
dieses durchzufuhren, bedurfte es aller Energie und Ausdauer,
deren dieser ausgezeichnete Mann fähig ist. Mit
schweren Kosten wurden viele europäische Officiere aus
allerlei Nationen nach Egypten gezogen, durch deren Bemühungen
es denn auch gelang, den Bauern des Landes
das Militairexercitium bis zu einer bewundernswerthen Prä-
cision einzuüben. Das egyptische Landvolk aber, seit Jahrhunderten
unter dem Drucke fremder Tyrannei schmachtend,
ermangelte alles Selbstgefühls, aller Ehrliebe, ja selbst
desMuthes, und aus ihm allein würde man schwerlich jemals
eine brauchbare Militairmacht haben bilden können. Dess-
halb suchte der Pascha durch sehr grossen Sold den türkischen
Soldaten die Abneigung gegen jeden geregelten
Dienst zu benehmen, und es gelang ihm. Die. so gewonnenen
alten Krieger, so wie die eigenthümlichen Mamme-
lucken des Pascha und seiner Söhne dienten zu sogenannten
Musterbatallionen, die sorgfältig unterrichtet und eingeübt
wurden, und aus denen man später die Officierstellen der
neuen egyptisehen Armee besetzte, jedem soviel als möglich
den Rang ertheilend, zu dem er die Fähigkeiten zu
haben schien. Europäer erhielten nur dann eine permanente
Anstellung in der Armee, wenn sie zu dem mahometani-
schen Glauben übergingen; auch aus den Reihen der gewöhnlichen
Soldaten bleiben alle christliche Einwohner
Egyptens ausgeschlossen, wogegen aber diese, wie mir versichert
wurde, stärkere Geldsteuern zu entrichten haben.
Die Frechheit, mit welcher zu Anfang der griechischen
Insurrection Corsaren und Seeräuber alle Schiffe in der
Levante ausplünderten, war für Meliemet Ali die Veranlassung
oder der Vorwand, seine Gedanken auch auf die
Errichtung einer Flotte zu wenden. Er fing damit an, dass
er europäische Handelsschiffe aufkaufte, und sie mit Kanonen
besetzte, welche Fahrzeuge man dann mit dem Namen Kriegsschiffe
belegte; sie konnten nur als Transportschiffe, die
gegen kleinere Piraten geschützt waren, dienen. Später liess
der Pascha wirkliche Kriegsschiffe eigens für seine Rechnung
in Livorno, Marseille und Venedig erbauen, die gleichfalls
grossentheils mit europäischen Matrosen bemannt wurden;
aber die mit Handelshäusern abgeschlossenen Contracte wegen
des Baues dieser Kriegsschiffe, der nicht gehörig beaufsichtiget
wurde, hatten zwar das Resultat, schön aussehende
und schnell segelnde Schiffe zu liefern; sie waren aber
nicht für die Dauer berechnet. Mehemet Ali legte desshalb
in Alexandrien selbst ein Schiffsarsenal und eine Kriegs-
werfte an. Diese sind freilich sehr grossartig, und haben
schöne Schiffe geliefert, kosten aber auch sowohl in ihrer
Anlage als auch noch fortwährend so ungeheuere Summen,
dass sie ein wahrer Krebsschaden für Egyptens Finanzen
sind, und es um so mehr bleiben werden, da doch dieses Land
nie ein Seevolk zu Bewohnern haben wird, und somit eine
eigene Marine desselben von einiger Bedeutung immer ein
gekünsteltes und schnell vergehendes Machwerk seyn muss.
Die Empörung, der Griechen gegen die türkische Oberhoheit
war zu einem gegenseitigen Vernichtungskampfe ausgeartet
; durch romantische Schilderungen parteiischer Demagogen
war bei dem europäischen Publikum eine grosse
Sympathie für die Griechen erregt worden , die namentlich
beider studirenden Jugend in einen exaltirten Enthusiasmus
ausartete. Von allen Seiten strömten begeisterte oder überspannte
Menschen zur Vertheidiguug der Nachkommen der
alten Hellenen herbei; man übersah die Veranlassung und
die Nebenumstände der griechischen Empörung, und war in
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