
Vom Thale Gatra zogen wir in direct südlicher Richtung;
zu unserer Linken erhob sich das Gebirge Gedam.
Die Thalfläche zwischen demselben und den Hügelzügen
am Fusse des Taranta heisst Saba A reg a *); sonst wird
die ganze Küstenlandschaft diesseit des Taranta-Gebirgs
S.ammera benannt. Nach ein und dreiviertel Stunden
trennte sich von unserm Weg derjenige, welcher nach
Zula führt; wir gingen in ein westlich sich verlaufendes
Thal, das F ilik i heisst, in welchem wir bald wieder in
südlicher Richtung fortschritten. In der Thalfläche lagen
viele Lavagerölle, an den Seitenhügeln war bloss Glimmerschiefer
anstehend. Wir stiegen allmählich ein wenig
aufwärts, bald erweiterte sich die bisher eingeengte Landschaft,
und in einer mit Acazienbäumen angefüllten Fläche,
welche N ag ad eto genannt ward **) , lagerten wir uns,
um zu übernachten. Wir hatten von Gatra aus bis hierher
in allem drei Stunden Wegs zurückgelegt. Sobald die
Lastthiere abgeladen waren, holten die Abyssinier grosse
Steine herbei, und legten sie in mehrere parallele Reihen,
die eine Längenlinie rechtwinkelig durchkreuzten. Auf
diese Steine werden die Ladungen dicht an einander,
jedoch nach den Eigenthümern abgesondert, bis zu einer
Höhe von sechs Fuss aufgehäuft; jene Längenlinie bildet
eine Wand mit kleinen Behältern an beiden Seiten, die
etwa je fünf Fuss ins Gevierte einnehmen. Die Ladungen
werden mit.Stöcken und Reisern bedeckt, und über diese
wieder grosse gegerbte Ochsenhäute ausgespannt. So bil*)
Stehet dieses Wort in Beziehung mit den Ruinen der Hafenstadt
Saba, welche ich (pag. 212.) auf den Landungsplatz Gerar,
Massaua gegenüber, versetzte?
**) Nagade heisst in der Tigre-Sprache Kaufmann; daher der Titel
„Nagade Ras“ d. i. Chef der Kaufmanns-Innung.
den sich schnell eine doppelte Reihe von kleinen Zellen,
die je zwei und zwei eine gemeinschaftliche Wand haben.
Die Häute gewähren Menschen und Waaren Schutz gegen
den Regen, während die unterliegenden Steine die Feuchtigkeit
des Bodens und die verderblichen weissen Ameisen
abhalten. Die Anordnung des Ganzen macht eine leichte
Bewachung desselben gegen die Diebe möglich, und jeder
Handelsmann hat überdiess den Vortheil, seine etwaige
Beschäftigung durch ein vor dem Eingang seines ephemeren
Obdachs aufgehängtes Tuch den Blicken der Neugierigen
zu entziehen, indem ein Anderer unter keiner Bedingung
ohne spezielle Aufforderung des Bewohners in
die Zelle eintritt. Vor den Zellen wird eine Reihe von
Pfählen eingeschlagen, an welchen die Lastthiere zur
Nachtzeit angebunden sind, und an beiden Enden des
Lagerplatzes unterhalten die Wache haltenden Bedienten
während der Nacht ein Feuer. Diese rufen sich von Zeit
zu Zeit einander an, theils um sich gegenseitig munter zu
erhalten, theils auch um ihre Herren zu überzeugen, dass
sie nicht schlafen. Ist Gebüsch in der Nähe und fürchtet
man, dass aus demselben Diebe sich herbei schleichen
möchten, so werfen' die Wächter von Zeit zu Zeit mit
grösser Gewandtheit und Kraft aus Schleudern kleine
Steine dahin.
Getana Meriam begann gleich am ersten Tage mit etwas,
das er auf der ganzen Reise fortsetzte. Er las nämlich
jeden Tag ein Capitel in dem Evangelium, und wählte sich
dazu immer einen Platz aus, an welchem er zwar scheinbar
zurückgezogen war, in Wirklichkeit aber von Jedermann
bemerkt werden konnte. Dieses ostensibele tägliche
Lesen in der heiligen Schrift, bei welchem man übrigens
nie Jemanden, aus welchem Grunde es auch sey, unter