
Wenn man in heissen Erdstrichen sich aus einem Dis»
tricte, der mit dem Meere ein fast gleiches Niveau hat,
plötzlich in eine Berglandschaft von achttausend Fuss mittlerer
Höhe begibt, so gewahrt man ganz verschiedene
klimatische Verhältnisse und eine durchaus veränderte Vegetation.
Während an der Küste des rothen Meeres die
regnerische Jahreszeit in die Monate November bis April
fällt, nimmt sie auf den Berghöhen und in dem übrigen
Abyssinien die andere Hälfte des Jahres ein, und ebenso
sind auch die Vegetationsperioden in beiden Gegenden
derZeit nach einander entgegengesetzt. Ich habe bereits
angeführt, dass dieser Umstand einzig und allein die Ursache
der periodischen Wanderungen der längs der Küstenlandschaft
lebenden Nomaden ist, und bemerke hier nur noch,
dass die Erzählung voii der furchtbaren Fliege Tsalzai
nichts ist, als die Reproduction eines aus Simmias entnommenen
Mährchens.#) Im gegenwärtigen Jahre fielen
in der Gegend von Halai bereits seit Anfang Aprils häufig
in der Nachmittagsstunde Regenschauer mit Ost- oder
Nordostwind; dabei war die Lufttemperatur zu dieser Zeit
15 — 20° Reaumur, und in der Morgenstunde bei Sonnenaufgang
meist nur 11°. Die Nächte waren durchgehends
heiter. Was Salt meint, wenn er sagt, (zweite Reise pag. 241),
dass hier oder vielmehr in dem benachbarten Dixan die
Sterne ganz besonders glänzen, weil sie wegen der Höhe
der Landschaft dem Auge näher gestellt seyen, weiss ich
nicht zu begreifen; oder sollte jener gute Mann, der überall
als ein so scharfer Kritiker auftritt, den unkundigen Leser
wirklich glauben machen wollen, ein Auge, das um achttausend
Fuss von dem Centrum der Erde weiter entfernt
*) Siehe Mannert’s Geographie von Afrika 1825, pag. 114.
sey, sehe die Sterne, weil sie ihm näher ständen, lebhafter
funkeln? Ich kann übrigens die Versicherung geben, dass
ich während meines achtzehnmonatlichen Aufenthalts in
Abyssinien nie einen Sternenglanz bemerkte, der in Betreff
des Funkeins mit dem einer kalten Winternacht in
Europa verglichen werden könnte, und doch glaube ich
bei meinen astronomischen und meteorologischen Beobachtungen
den Zustand des dortigen Himmels sorgfältig
geprüft zu haben #).
Dixan, zwei Stunden von Halai nach Westen zu entfernt,
war ehemals die Ansiedelung, über welche alle
abyssinischen Handelskaravanen zogen, um hier für ihre
weitere Reise nach dem Inlande oder nach der Küste die
nöthigen Vorkehrungen zu treffen. Die Bewohner jenes
Districts brachten sich aber durch ihren lebhaften Sklavenhandel
nach und nach in den Ruf der Schlechtigkeit
und Heuchelei, und seitdem Salt’s guter Freund, der Ba-
hernegash Jasu **) von Dixan, im October 1816 bald nach
Ras Oeled Selasse’s Tod, eine grosse Handelskaravane rein
ausplünderte ***), haben sich die Kaufleute nie mehr diesem
Manne anvertrauen wollen, sondern ziehen immer von Halai
*) In ganz neuer Zeit hat die periodische Häufigkeit der Sternschnuppen
eine besondere Aufmerksamkeit erregt. Ich erinnere mich,
dass während meines Aufenthalts zu Gondar im Februar 1833 die
abergläubischen Gemiither der Einwohner durch dieses damals besonders
oft eintretende Phänomen beunruhigt wurden. Ich habe mir das bestimmte
Datum dieser Erscheinung nicht angemerkt, und führe die
Sache hier nur an, weil daraus hervorgeht, dass bei einer mittleren
Höhe von sechstausend Fuss, wie sie jene Stadt hat, Sternschnuppen
zuweilen sehr häufig sind.
**) Salt schreibt diesen Namen immer Jasous, weil er ihn vermuth-
lich von Jesus ableitet; derselbe kömmt aber von Josua.
***) Siehe Pearce Vol. 2. pag. 120.