
leute, Arzneimittel zum eigenen Gebrauch schenkte, nahm
bei einer seiner Visiten ein auf der Ruhebank, auf welcher
er sass, liegendes zehn Pfund schweres Stück Blei mit; da
mir an dessen Wiedererlangung viel gelegen war, so versprach
ich einem gewandten Manne eine Belohnung, wenn
er das Gestohlene von dem muthmasslichen Diebe zurückzuerhalten
wüsste. Dieser wandte sich alsbald mit dem
Vorgeben, er suche für einen Fischer Blei zu erkaufen,
an jenen Kaufmann, und erhielt richtig das entwendete
Stück angeboten, welches nun sogleich als mir zugehörig
weggenommen wurde.' Ungeachtet seiner Ueberführung
hatte der Dieb, der in Massaua Für einen angesehenen Handelsmann
galt, später die Unverschämtheit, mich mit seinen
Visiten abermals heimsuchen zu wollen.
In der ersten Zeit meines Aufenthalts zu Massaua ward
ich sehr mit solchen Besuchen überlaufen und um ärztliche
Hülfe angesprochen; ich ertheilte diese damals gern,
weil ich dadurch mit vielerlei Personen in Berührung
kam, von welchen ich manche wünschenswerthe Notiz
erhielt. Nie hat auch nur ein einziger meiner Patienten,
weder während ihrer Cur, noch nach ihrer Genesung, daran
gedacht, mir für meine Bemühung oder die unentgeltlich
gegebenen Medicamente und ändern Gegenstände zu danken,
geschweige denn anzufragen, ob er mir desshalb etwas
zu vergüten habe. Einer, dem ich eine Schusswunde, welche
ihm die beiden mittleren Handknochen ganz zerschmettert
hatte, acht Wochen lang fast täglich verband, und der
von mir glücklich geheilt ward, drückte sich über seine Wiederherstellung
in meiner Gegenwart folgendermassen aus:
„Gott ist über alles gross, und seine Verfügungen sind
wunderbar! Hat er doch diesen H und von U n g läu b igen
eigens hierher geschickt, um mich zu heilen!“
So oft ich gegen die angeseheneren Einwohner das Betragen
ihrer Mitbürger mit Unwillen erwähnte, gab man
mir hinsichtlich meines höchst ungünstigen Urtheils über die
Massauaner überhaupt immer vollkommen Recht; ja, jeder
schimpfte selbst noch weit ärger als ich über die Treulosigkeit
und Schlechtigkeit der Ändern, und warnte mich
mit einer scheinbaren Theilnahme vor diesem oder jenem,
mit dem er mich zufällig auf dem Marktplatze oder in
einem CafteehaUse hatte sprechen sehen. Was heute der
Eine gegen einen Ändern scheltend und tadelnd aussprach,
dasselbe äusserte morgen dieser mit mehr oder weniger
starken Ausdrücken in Betreff Jenes: vermuthlich aus einer
Art von Neid, indem keiner dem Ändern gönnte, mich
allein zu übervortheilen. Natürlich war ein jeder, der solche
Warnungen aussprach, seinen Worten nach der ehrlichste
Mann von der Welt, und alles, was er sagte, ging von der
uneigennützigsten Zuneigung aus!
Ein grösser Theil der Bewohner von Massaua ist, wie
ich bei meinen Curen zu erfahren Gelegenheit hatte, von
der Syphilis angesteckt. Sie gebrauchen dagegen verschiedene
Mittel, namentlich Sublimatauflösung und Salsapa-
rille-Decoct, welches beides von Djetta her eingeführt
wird; zuweilen setzen sich solche Kranke auch mit ent-
blösstem Körper und in ein grosses Tuch eingehüllt, in
künstlich erzeugte Quecksilberdämpfe, was durch öftere
Wiederholung den Speichelfluss hervorbringen soll, und
welche Cur hier den Namen Bohur hat. Die Einfachheit
und Spärlichkeit der Lebensmittel und die grosse Hitze
während der meisten Zeit des Jahres, mögen übrigens hauptsächlich
dazu beitragen, dass zu Massaua die Syphilis nur
selten jene schrecklichen Verwüstungen im Gesichte verursacht,
welche die Vernachlässigung der Krankheit in Egypten