
beiden Haupt-Religionssecten zur Industrie waren zu
Tackeragg-iro auf eine recht grelle Art Wahrnehmbar. Die
Einwohner dieses Orts, die wie schon gesagt, alle Mahonv-
metaner sind; erfreuen sich eines grossen Wohlstandes,
den sie einzig und allein ihrem eigenen Fleisse zìi verdanken
haben. Einer der hier angesiedelten Kaufleute,
der mit uns von Massaua gekommen war, nöthigte mich
und die ändern Reisegenossen, ein abyssinisches Gastmahl
in seiner Wohnung einzunehmen. Wir fanden diese im
Ganzen von derselben Form, wie die zu Ategerat beschriebenen
Privathäuser; nur zeichnete sie sich .noch durch
eine von Rohrstengeln zierlich gefertigte innere Decke dès
Hauses und durch die mit sauberen Strohmatten bedeckr
ten Ruhebänke aus. Auch hatte das Haus zwei einander
gegenüber befindliche Eingänge. Bei der Ankunft wurden
wir mit Caffee bewirthet, ein hier zu Lande nur bei den
Mabommetanern gebräuchliches Getränk, das aber alle.
Christen gelegentlich recht gerne mittrinken. Hierauf
führte man zwei Ziegen vor, und bat den Getana Meriam,
die eine für die christlichen Gäste zu schlachten, während
der Hausherr die andere für die anwesenden Mahommer
taner tödtete, weil beide Religionsse'cten animalische Nahrung
nur dann, wenn das Thier durch einen ihrer Glaubensgenossen
geschlachtet wurde, gemessen. Schnell wurden
die Ziegen getödtet, geschunden und zerlegt, und hierauf
die zuckenden Glieder etwa fünf Minuten lang über ein
Flammenfeuer gehalten; dann schälte man die äusserste
Lage Fleisch ab, und reichte sie mit Brodkuchen und dem
reichlichen Aufguss einer Sauce von rothem, spanischem
Pfeffer den Gästen dar. Die Brodkuchen sind ganz dünn
und, je nachdem sie von gesäuertem Teff (Poa abyssinica},
Bohnen oder Weizenmehl bereitet sind, verschiedentlich
gefärbt; die von Bohnen sind safrangelb, der Teffidagegen
gibt grauliches Brod. Es ist in Abyssinien Mode, dass man
beim Essen sich gegenseitig bedient, d. h. man pflegt etwas
in Pfeffersauce getauchtes Fleisch in ein Stück Brodkuchen
einzurollen, und es dann seinem Nachbarn oder einer vorzugsweise
zu beehrenden Person in den Mund zu stecken,
wobei der Empfänger die zugereichten Bissen nicht mit
seinen Fingern berühren darf, obgleich ihn zuweilen das
Volumen der eingestopften Brodrolle der Gefahr des Erstickens
aussetzt. Während des Essens wird nichts getrunken;
unmittelbar nach demselben aber circuliren Glasflaschen
mit gegohrnem Honigwasser. Der Ueberbringer
derselben giesst dabei, indem er eine Flasche darreicht,
eine Kleinigkeit in seine hohle Hand und trinkt sie vor
dem Gaste aus, um demselben damit zu zeigen, dass der
Trank nicht vergiftet sey. *) Viele Mahommetaner enthalten
sich dieses Getränks, weil sie glauben, dass es zu
den geistigen Flüssigkeiten gehöre, deren Genuss bekanntlich
¿er Koran verbietet. Auch essen die Bekenner dieser
Religion nie rohes Fleisch, während dasselbe eine Lieb-
lingsspeise der christlichen Abyssinier ist; Letztere essen
jedoch nur das Rindfleisch roh; Schafe, Ziegen und Hühner
dagegen werden, wie oben beschrieben, etwas angebrannt,
den Grund dieser Verschiedenheit der Fleischspeisen kenne
ich nicht. — Nachdem die Gäste sich mit Speise vollgepfropft
hatten, nahmen unsere Diener die Plätze derselben
ein, und assen alles Geniessbare rein auf. Die eigentlichen
Gäste aber poculirten nun noch lange mit jenem beliebten
*) Ist vielleicht in Deutschland ohngefahr der nämliche Gebrauch,
beim Einschenken aus einer neuen Flasche zuerst eine Kleinigkeit ins
eigene Glas zu giessen, ursprünglich aus dem nämlichen Grunde veranlasst
worden? 24