
stücke zu erlangen; die Regierung- erreichte aber ihren
Zweck nicht, weil die fortwährende, gewaltsam bewirkte
Abnahme der Bevölkerung nicht allein eine Vermehrung-
des wirklich benutzten Ackerlandes unmöglich macht, sondern
vielmehr umgekehrt eine Verminderung des vorhandenen
zur Folge hatte. Die Errichtung einer Telegraphenlinie
zwischen Alexandrien und Cairo, welche im
Jahr 1821 vorgenommen wurde, hatte bloss ein rein politisches
Interesse zum Grunde. Die' Idee zu dem Brunnengraben
auf den Cäravanenwegen zwichen dem Nil und
dem rothen Meere wird durch die Sendung regelmässiger
Truppen nach Arabien in Anregung gebracht, und darf
also keineswegs als eine Unternehmung angesehen werden,
bei welcher Mehemet Ali das Wohl des egyptischen Volkes
ifn Auge hatte. Ob wirklich jemals eine Eisenbahn zwischen
Souez und Cairo gebaut wird oder nicht, hat nur für einen
sehr kleinen Theil der jetzigen egyptischen Bevölkerung
ein Interesse; denn da der Getreidehandel mit Arabien
ein Monopol des Pascha ist, und er seit 1833 auch den
ganzen Caffeehandel an sich gerissen hat, so ist das problematisch
Nützliche dieser Unternehmung nur für ihn
selbst von Wichtigkeit. Ich werde übrigens später auf dieselbe
zurückkommen.
Die grossartigste und, wenh ausführbar, sicherlich die
wichtigste aller Unternehmungen Mehemet Ali’s war die
Anlegung von Schleusen, durch welche der ganze Nilstrom
etwas nördlich von Gairo zu einem permanenten, um achtzehn
Fuss erhöheten künstlichen Niveau gezwungen werden
sollte. Wenn eine Abdämmung, wie man sie bei unsern
kleineren Flüssen der Mühlen oder der Schiffahrt wegen
öfters macht, beim Nil ausführbar wäre, so könnte das
ganze Ackerland des Delta nach Willkühr zu jeder Jahreszeit
unter Wasser gesetzt werden, was freilich von
unberechenbarem Vortheil für Agricultur wäre, und somit
auch die Staatseinkünfte verhältnissmässig vermehren würde.
Aber wie ist es möglich, auf einem aufgeschwemmten
Grund, wie der des Delta ist, Schleusen zu bauen, die
stark genug sind, um einen Fluss wie der Nilstrom will-
kührlich zu regeln! Ein französischer Ingenieur, Herr
Linant, hat im Jahr 1833 die Ausführung dieses chimärischen
Schleusenbaues übernommen.
Alle in dem gegenwärtigen Capitel mitgetheilten Bemerkungen
über Egypten gründen sich auf consequente,
beständig wiederkehrende Handlungen Mehemet Ali’s, und
m üssen sich jed em unparteiischen B eob ach ter, der das Land
bereist, gewissermassen von selbst aufdringen. Es wird dess-
halb nicht wenig befremden, dass das Urtheil, welches die
meisten neueren Reisenden über jenen Mann aussprechen,
dem meinigen ganz entgegengesetzt ist, und Egyptens
gegenwärtige Verwaltung in so sehr günstigem Lichte darstellet.
Diese vortheilhaften Schilderungen haben darin
ihren Grund, dass Mehemet Ali von jeher die feine Politik
hatte, diejenigen gebildeten Europäer, welche seine Provinzen
bereisten, und von deren Bericht er ein unparteiisches,
aber eben desshalb für ihn nicht günstiges Urtheil befürchten
musste , durch Schmeicheleien, Verbindlichkeiten und
die Gewährung reeller Vortheile für sich einzunehmen trachtete;
und dass er es sich namentlich angelegen seyn liess,
die politischen Agenten der grösseren europäischen Machte
durch persönliches Interesse so zu verpflichten, dass sie wenigstens
nicht ohne Noth Unvorteilhaftes über den Zustand
des Landes, dieBasis seiner Regierungsverwaltung und seine
verschiedenen ehrgeizigen Pläne nach Europa berichten.
Ein bequemes Mittel, jenen Zweck zu erreichen, bot die