
nächtlichen Schutze der Hausthiere; nur wenige Häuser
haben eine, gewöhnlich vier Schuh hohe und kreisförmige,
Steinmauer als Basis, sowie ein solides, konisches Strohdach,
das in der Mitte auf einem Hauptpfeiler ruhet, und aus-
serdem von einer kreisförmigen Reihe hölzerner Stützen
getragen wird. In diese ’Wohnungen kann das Tageslicht
nur durch die kleine Hausthür eindringen. Selbst die Residenz
des sich so mächtig dünkenden Detjatsch Ubi besteht
in einem solchen Haus und unterscheidet sich von den
übrigen des Orts nur durch etwas grössere Dimensionen ; und
ebenso sind auch seine Wohnungen in den beiden ändern
Ansiedelungen Seg’onetund Saun na, welche gleichfalls
den Namen Residenzen führen, beschaffen.
Nach dieser flüchtigen Skizze von Simen fahre ich mit
der Erzählung des in diesem Lande Erlebten fort. Am
Nachmittag unserer Ankunft kam ein Diener des Gouverneurs,
um uns Namens seines Herrn zum Essen einzuladen,
indem er uns zugleich bedeutete, dass wir die für
denselben bestimmten Geschenke mitbringen könnten. Ich
bemerke bei dieser Gelegenheit, dass es in ganz Abyssi-
nien Gebrauch ist, ein Geschenk nur der betreffenden
Person selbst einzuhändigen, so wie denn auch die etwaige
Gegengabe von dieser dem Empfänger immer persönlich
vorgezeigt und sodann in seiner Gegenwart demjenigen,
der sie ihm zu überbringen hat, vorgezählt wird; der einzige
Grund davon ist, wenn ich nicht irre, das Misstrauen
in die Ehrlichkeit der Dienstboten, durch deren Hände
die Geschenke zu gehen haben. So ward jedesmal, wenn
mir der hiesige Gouverneur bei meinen Besuchen ein Geschenk
von einigen Welschkornkolben oder von ein Paar
Weizenbroden machte (denn auf solche werthlose Kleinigkeiten
beschränkte sich seine Freigebigkeit gegen mich),
diese Gabe in seiner und meiner Gegenwart dem es in
meine Wohnung tragenden Diener vorgezählt, und dieser
liess dann bei der Ablieferung die Gegenstände gleichfalls
zählen.
Die Wohnung des Gouverneurs ist in jeder Beziehung
den übrigen grossen hiesigen Häusern gleich, das heisst sie
ist nichts als eine grosse runde Strohhütte, und unterscheidet
sich von jenen nur dadurch, dass das Dach rund um bedeutend
vorspringt, um bei Regengüssen den auf Audienz
wartenden Personen einigen Schutz zu gewähren. Dem
Eingang gegenüber stand zwischen der innern Reihe der
Dachstützeii eine Ruhebank von Ledergeflechte, auf welcher
Seine Excellenz sass, und vor derselben brannte in der
Mitte der Hütte ein Feuer. Mir ward ein kleiner Schemel
zum Sitzen gebracht; Getana Meriam aber und die ändern
Gäste erhielten jedesmal, wenn sie anders zum Sitzen
eingeladen wurden, etwas Heu, welches auf den Fussbo-
den gestreuet ward. Längs der Wand standen im Halbkreise
die Diener des Hauses und die der Besuchenden.
Der Gouverneur, ein Mann von ungefähr fünf und sechszig
• Jahren, war von mittlerer, aber robuster Gestalt, und hatte
eine sehr starke Habichtsnase und etwas aufgeworfene
Lippen; sein schön gelocktes silbergraues Haupthaar con-
trastirte sonderbar mit seiner braungelben Hautfarbe; der
Blick seiner grossen Augen war ein wenig matt, aber doch
verrieth sich darin etwas Edles -und Stolzes. Er stammt
von einer der alten Häuptlings-Familien des Landes ab,
und ist mit Ubi selbst nahe verwandt, dem er auch, wie
ich später berichten werde, zur Erlangung der Oberherrschaft
von Simen wesentliche Dienste leistete. Nur am
Rande des Kinns hat er einen kurzen Bart. In der Kleidung
unterschied er sich von den ändern Abyssiniern