
eine politische Selbstständigkeit zu verschaffen. Nur mit
dem bisher befolgten System der Verwaltung behaupteter,
wäre es möglich, diesen Zweck zu erreichen. Auch ich
wurde, als ich im Jahr 1827 Afrika Verliess, gebeten, nicht
ohne Noth getreue Schilderungen von Egyptens gewisser-
massen nur provisorischem Zustande zu veröffentlichen, und
dieses Gesuch veranlasste mich auch, aus dem zu Anfang
dieser Schrift angegebenen Grunde, zu meinem seitherigen
Stillschweigen über diesen Gegenstand *). Jener Grund ist,
wie ich schon bemerkt habe, jetzt weggefallen, und so habe
ich denn in dem Vorhergehenden eine rücksichtslos frei-
müthigeDarstellung des gegenwärtigen Zustandes von Egypten
gegeben, die ich im Nachfolgenden mit einigen gleichfalls
unparteiischen Worten über den Pascha beschliessen will.
Nach den in der vorstehenden Schilderung mitgetheilten
Einzelnheiten wird wohl jeder Unparteiische diesen Beherrscher
Egyptens als einen ausgezeichnetgrossen Mann unsres
Zeitalters anerkennen, der mit durchdringendem Verstände,
unermüdlicher Energie und grösser Selbstbeherrschung begabt
ist, der aber durch seine Stellung zur Welt und seine
ehrgeizigen Pläne sich in moralischer Beziehung zu manchen
frevelhaften Handlungen veranlassen liess, an denen jedoch
Leidenschaft oder Rachsucht nie Antheil hatten. Die Einwohner
Egyptens hat er stets nur als Werkzeuge zur Erreichung
seiner eignen Zwecke angesehen; er hat daher nie
ihrer selbst wegen daran gedacht, etwas zur Verbesserung
ihrer Lage zu thun; nie hat er sich um eine dankbare Anhänglichkeit
seines Volkes oder um dessen Zuneigung bemühet,
er verachtet vielmehr die Egypter recht eigentlich
*) Ich habe in dieser Beziehung ausdrücklich eine ATt rechtfertigender
Bemerkung auf pag. 6 meiner Reise nach Nubien gegeben.
als feige Sklaven, deren individuelle Existenz ihmeine ganz
gleichgültige Sache ist. Wenn .sein Name nur einst in den
Annalen des Orients und Occidents prangt, wenn es ihm nur
gelingt, die usurpirte Herrschaft von Egypten und Syrien
sich und seinen Nachkommen zu sichern: diessist sein Zweck,
und es liegt ihm nichts daran, dass die empörende Tyrannei,
unter welcher Egyptens sämmtliche Bewohner während der
ganzen Zeit seiner Regierung schmachten, ihm nicht Liebe,
sondern Hass erweckt. Wird aber eine durch gewaltsame
Mittel zur Herrschaft gelangte Dynastie sich behaupten
können, wenn keine einzige Fraction der Nation ihr mit
Anhänglichkeit ergeben ist? Jeder Egypter ist jetzt ein aus
Furcht gehorchender Sklave des Pascha, und muss unter
hartem Druck fortwährend nach seinen Fähigkeiten für ihn
arbeiten; und so lange eine gutbezahlte Militärmacht von
der despotischen Regierung unterhalten werden kann, ist
der Fortbestand dieses Verhältnisses möglich. Aber ein
Zerwürfniss der egyptischen Regierung mit einer der grossen
europäischen Seemächte , und in Folge davon die so
leicht zu bewerkstelligende Blokade der Häfen jenes Landes
würde die Ausfuhr der reichlichen Producte desselben
auf unbestimmte Zeit unterbrechen, das künstliche Gebäude
der Finanzverwaltung zerrütten, dadurch die Zuverlässigkeit
der Militärmacht erschüttern, iüit einem Worte nicht
zu berechnende, höchst gefährliche Folgen für die von Mehe-
met Ali gegründete Herrschaft nach sich ziehen. Entstehen
gar unter den verschiedenen Nachkommen desselben wegen
ihrer wechselseitigen Ansprüche auf Erbfolge Zwistigkeiten
und innere Kriege, dann ist es höchst problematisch, ob seine
Dyn astie sich behaupten und von der jetzigen sogenannten
Civilisatidn und geregelten Administration Egyptens irgend
eine Spur übrig bleiben wird. In wie fern solch ein Confiict,