
gegen jede edele Empfindung verstockt machen musste.
Sie sind in Bezug auf die Erfüllung ceremonieller Verpflichtungen
sehr, fromm, haben aber in der Regel nichts
von wirklicher Religiosität. Nicht allein verrichten sie
täglich alle von der mahommetanischen Religion vorgeschriebenen
Gebete und Gebräuche, sondern sie versammeln
sich auch oft Abends in oder vor einer Moschee,
um bis spät in die Nacht hinein gemeinschaftlich geistliche
Hymnen zu singen ; auch pflegen sie insgesammt am
Anfänge eines Monats mehrere Tage streng zu fasten,
und in der Mitte jedes Monats machen zahlreiche Gesellschaften
nächtliche Wallfahrten nach der benachbarten
Insel Seid Scheik, w’o ein Heiliger begraben ist, der seiner
Zeit seine Vaterstadt Massaua verlassen und diese
kleine wüste Insel bezogen haben soll, weil er glaubte,
dass der Lebenswandel seiner Mitbürger allzu irreligiös
sey; von dem Festlande aus kommen dann ebenfalls Kähne
mit Wallfahrern zu diesen nächtlichen Zusammenkünften.
Mir versicherte aber ein hier wohnender arabischer Kaufmann,
diese Pilgerungen hätten keinen ändern Zweck, als
während derselben, unter dem Schutze der Nacht vom festen
Lande Sklaven einzuschmuggeln.
Die Anzahl der Bettler ist verhältnissmässig sehr gross,
und die meisten derselben kommen durch Hunger oder
sonstiges Elend ums Leben. Es sind nämlich meistens
Leute aus den benachbarten Gebirgen, die ihren Viehstand,
ihre einzige Erwerbsquelle, durch irgend einen Raubüberfall
oder eine Seuche verloren haben, und nun nach
Massaua gekommen sind, um durch Herbeitragen von Holz
oder Trinkwasser den nothdürftigsten Lebensunterhalt sich
zu verdienen; da aber hier die Nahrungsmittel als eingeführte
Artikel ziemlich theuer sind und eine grosse Concurrenz
der sich mit jener Arbeit beschäftigenden Leute Statt
findet, so ist ihr Erwerb kaum zur Stillung des Hungers hinreichend.
Wenn nun einer erkrankt oder schwach wird, so kann
er sich nur durch Betteln erhalten, aber die Gaben fallen so
spärlich aus, dass der Unglückliche von Tag zu Tage mehr
abmagert und die Kräfte verliert, bis endlich der Hungertod
in einem Strassenwinkel sein Leben endet. Als ich
mich 1826 in der unglücklichen Zeit eines allgemeinen
Misswachses in Abyssinien und Arabien zu Massaua befand,
blieben alle Zufuhren aus; die Preise der Lebensmittel
stiegen bei der geringen Menge der Vorräthe ungeheuer,
und in Folge davon erlagen in einer einzigen Nacht sechs
Menschen in den Strassen der Stadt dem Hungertode. Die
Bettelei vermehrt sich übrigens, zum grossen Nachtheil
jener Unglücklichen, periodisch noqh bedeutend durch die
zahlreichen Negerpilger, die aus dem Innern von Afrika
nach Mekka ziehen, und wegen ihrer Armuth mit grösser
Zudringlichkeit um Almosen bitten.
Diebereien und Einbruch sind hier sehr gewöhnlich;
Waarenmagazine haben desshalb ausser der Thür keine
Oeffnung, und jeder Krämer lässt vor der Thür seines
Magazins alle Nacht einen Menschen auf einer quer übergestellten
Bank schlafen; dessen ungeachtet aber werden
zuweilen Waaren nächtlicher Weile gestohlen, indem die
Diebe durch die hintere Wand oder die Decke einbrechen.
Der Diebstahl scheint hier kein sonderlicher Schimpf
zu seyn; mir wurden, trotz aller Wachsamkeit, einige Mal
durch Besuchende Kleinigkeiten von meinem Tische entwendet,
und wie wenig sich der Massauaner eines entdeckten
Diebstahls schämt, mag der nachfolgend erzählte Vorfall
zeigen. Ein angesehener Handelsmann, der mich öfter
besuchte,- weil ich ihm, wie manchem ändern seiner Lands