
besteht nur dem Namen nach und beschränkt sich auf einen
gutachtlichen Ausspruch bei Streitigkeiten, bei welcher
Gelegenheit ihm einige der älteren Bewohner, namentlich
diejenigen, w'elche den Namen des Kahia und des Sefrdar
(die Titel ehemaliger türkischer Officiere) führen, berathend
zur .Seite stehen. Ueber die in der Nachbarschaft lebenden
Nomadenstämme der Schoho und Saorta weiss er sich
eine gewisse Gewalt zu erhalten, indem er theils die zwischen
den verschiedenen Stämmen vorfallenden StfeitiOe- keiten geschickt benutzt, theils persönlich den einzelnen
Häuptlingen imponirt. Auf diese Weise, ist es ihm möglich,
für die Sicherheit der abyssinischen Handelskaravane
zwischen Massaua und der Höhe des Tarantägebirgs zu
stehen, wozu er die Obliegenheit hat. Er bezieht dafür
theils einen regelmässigen Zoll von sämmtlichen aus Abys-
sinien kommenden Waaren, theils eine den einzelnen Kaufleuten
der Karavane willkührlich auferlegte Steuer, welche
Fassas oder Durehgangsgebühr benannt wird. Ist es nöthig
eine militärische Demonstration zu machen, so müssen sich
alle waffenfähige Bewohner von Arkiko als Soldaten unter
den Befehl des Naib stellen; in den ältesten Zeiten bildeten
sie ein Reitercorps, schon seit Jahrhunderten aber
haben sie keine Pferde mehr. Alle sind in jenem Falle
mit Luntenflinten bew affnet, diese aber sind meist in schlechtem
Zustande, und es mangelt ausserdem immer an Pulver.
Da ich meine Jäger mehrere Monate lang in dem zehn
Stunden westlich gelegenen Thale Modat verweilen lassen,
selbst aber eine Excursion nach den Ruinen von Adu-
lis machen wollte, und überdiess wegen meiner Reise nach
Abyssinien mit dem Naib in ein näheres Yerhältniss treten
musste: so war es mir sehr darum zu thun, ihn für
mich zu gewinnen. Diess konnte aber nur vermittelst verhältnissmässig
sehr werthvoller Geschenke geschehen. Er
nahm dieselben dankend an und gab mir dagegen die Versicherung,
dass er in allen vorkommenden Fällen der Erreichung
meiner Zwecke förderlich seyn werde;*) wie
wenig ich a b e r a u f diese Versicherung bauen konnte, liess
sich schon voraus ermessen.
Der Naib sass, als ich zu ihm kam, wie immer, wenn er
in Angelegenheiten der Regierung besucht wird, sehr gravitätisch
auf einem mit fantastischem Schnitzwerk verzierten,
vermuthlich in Indien verfertigten hölzernen Armstuhl, und
neben diesem stand eine breite mit einem verschabten Teppich
bedeckte Bank, auf welcher bei Verhandlungen von
allgemeinem Interesse die Notabein des Ortes Platz nehmen,
um, wie man sich ausdrückt, den Divan zu bilden. Der
gegenwärtige-Titular-Beherrscher von Arkiko hat sehr verschmitzte,
ein hinterlistiges Wesen verrathende Gesichtszüge,
welche noch obendrein sehr häufig durch Nervenzucken
entstellet werden, wahrscheinlich in Folge des
übermässigen Genusses von gegohrenem Honigwasser, das
sein Lieblingstrank ist. In seiner Kleidung zeichnet sich
der Naib durchaus nicht vor den übrigen Bewohnern aus.
Wenn ein Abyssinier oder Beduine der benachbarten Küste
wegen irgend einer Angelegenheit vor den Naib tritt; so
kniet er sich nieder und berührt mit der Stirn den Erdboden,
welches Zeichen der Ehrfurcht wahrscheinlich die
nämliche Ceremonie ist, wie die im alten Testamente bei
dem Besuche von Fürsten so häufig mit den Worten „er
betete ihn an“ bezeichnete. Während der Verhandlung
*) Meine Geschenke bestanden in einem Paar langen türkischen
Pistolen, die reich mit Silber beschlagen waren, und einem Mantel von
feinem Scharlachtuch; beides hatte zusammen einen Werth von fünfzig
Species-Thalern.