
Ehrgefühl bloss eine grössere Verschmitztheit zur Folge.
Verhältnisse dieser Art tragen auf eine traurige Weise dazu
bei, nach und nach ganze Classen der Bevölkerung zu
demoralisiren.
Für die Handelsleute ist die Verwaltung von Mehe-
met Ali in jeder Beziehung verderblich. Da er alles, was
er für sich und seine Fabriken von aussen her bedarf, direct
aus der ersten Quelle bezieht, während er zugleich sämmt-
liche Landesproducte entweder für eigene Rechnung verschickt
oder an einige europäische Speculanten überlässt,
so sind dadurch grosse Geschäfte jeder Art den einheimischen
Kaufleuten unmöglich gemacht. Es ist daher rein
illusorisch, wenn man aus der Zunahme des Nominalbetrags
der jährlich in Egypten aus- und eingeführt werdenden
Handelsartikel, und aus der Zahl der jetzt in Alexandrien
oder den Häfen des rothen Meeres ein - und auslaufenden
Schiffe auf die glückliche Lage der einheimischen Kaufleute
zurückschliesst. Diese sind dabei durchaus nicht betheiligt;
und wenn der Verbrauch von Luxusartikeln in Egypten
jetzt im Zunehmen begriffen ist, so kommt diess nur den
Europäern zu Statten, in deren Händen der ganze Vertrieb
derselben ist. Jene Artikel sind vorzugsweise für die Bedürfnisse
der vorübergehend in des Pascha Diensten stehenden
Europäer bestimmt; unter den Eingebornen hat, bei
der allgemeinen Verarmung sämmtlicher Volksklassen, der
Verbrauch europäischer Fabrikate sicherlich nicht ungewöhnlich
zugenommen. Auch der Handelsverkehr mit dem
Innern von Afrika ist beinahe vernichtet, seitdem durch die
Eroberung von Senaar und Kordofan die Hauptausfuhrartikel
jener Binnenländer, wie Sklaven, Gummi, Strausfedern,
Elfenbein u. s. w. von den Statthaltern dieser Provinzen
den Eingebornen als Steuern abgenommen werden, und
gleichfalls Gegenstände eines ausschliesslichen Handelsmonopols
dier Regierung geworden sind.
Ein anderes Verfahren Mehemet Ali’s hat auch beim
Detailhandel den Speculationsgeist der egyptischen Kaufleute
durch eigenthümliche Schranken eingeengt. Es werden
nämlich viele der in des Pascha’s Fabriken verfertigten
Waaren den einheimischen Krämern als Commissionsartikel-
aufgezwungen, und dabei zugleich der Gewinn mehr oder
weniger limitirt, den sie beim Verkaufe derselben nehmen
dürfen! Die nach Mekka ziehenden Pilger, die Frauen der
übermässig besoldeten obern Staatsbeamten und das ziemlich
gut und regelmässig bezahlte Militär sind beinahe die
ausschliesslichen Kunden der. egyptischen Kaufleute.
Der. Handelsstand und sämmtliche Bewohner Egyptens
überhaupt wurden noch auf eine .andere Art von Mehemet
Ali gebrandschatzt. In der ersten Zeit seiner Regierung
liess er sehr geringhaltig geprägte Piaster gewaltsam in
Umlauf setzen; je vier ein Viertel Stück derselben sollten
einem spanischen Thaler an Werth gleich seyn, während
nach ihrem reellen Silbergehalt kaum fünfzehn Stück soviel
betrugen. Als ich im Jahr 1817 in Egypten war, hatte sich
das Verhältniss dieser beiden Münzsorten auf acht einhalb
bis neun egyptische Piaster pr. einen spanischen Thaler
gestellt, und im Jahr 1825 stand es seinem wahren Silberwerth
gleich, nämlich 15: 1. Aber die Geldwechsler wussten
dieses fortwährende Sinken zu ihrem Vortheil zu benutzen,
und drückten jenes Verhältniss bis auf achtzehn Piastei per
spa nischen Thaler herab, wo sie denn mit grossem Gewinn
jene Geldsorten zum Einschmelzen nach Europa schickten.
Durch diese erste Plünderung hatte Mehemet Ali’s Schatz
viele Millionen seinen Unterthanen systematisch abgenommen;
im Jahr 1826 wiederholte er diese Speculation. Er