
der Abana in den südwestlichen Schneebergen seinen Ursprung
hat; beide Ströme zeichnen sich in ihrem Laufe
in gleicher Weise durch eine Menge schaumender Casca-
den aus. Unser Weg, der am südlichen Ufer des Abana
herging, wandte sich bald nach West-Süd-West, und führte
uns, immer aufwärts steigend, durch ein sich allmählich
verengendes Thal, dessen Seitenwände und Uferböschungen
von schönen hohen Bäumen beschattet waren. Auf
einem etwas isolirt vorspringenden Hügel, dessen Fuss der
Abana hufeisenförmig umströmt, liegt in einer malerischen
Umgebung der Flecken D onkoski. Eine halbe Stunde
westlich von diesem Orte lagerten wir uns, nachdem wir
in allem nur drei und eine halbe Stunde Wegs zurückgelegt
hatten, in einer Art natürlicher Grotte, welche von
einer weit überhängenden Lavaschichte gebildet wird.
Unter diesem, etwas grossen Obdach pflegen alle mit Salzladungen
vorüberziehenden Händler zu übernachten, und
auch wir fanden daselbst eine zahlreiche Gesellschaft
solcher Leute. Hier hatten wir gegen Abend ein starkes
Gewitter, welchem gegen Mitternacht ein kalter Westwind
bei heiterm Himmel folgte. Von dem Eingang der Höhle
aus erblickte man direct im Osten die drei schon mehrmals
erwähnten hohen Bergspitzen Genemfera #), welche
alle benachbarten Höhen überragten.
Wir blieben den ganzen folgenden Tag (29. Juni) hier,
weil wir gewärtig seyn mussten, weiterhin keine Einkäufe
von Lebensmitteln mehr machen zu können, und desshalb
jeder, für den Fall eines durch schlechtes Wetter veran-
lassten Aufenthalts in höhern unbewohnten Gegenden, sich
hier in Betreff seiner Vorräthe gehörig vorzusehen suchte.
*) Siehe vorstehend pag. 391. und pag. 372.
Ich selbst kaufte noch ein ziemlich gut aussehendes Maul-
thier und einen Esel, und belud diese ausschliesslich mit
soviel Gerste und Mehl, als für sechs Tage nöthig war.
Uebrigens rechnete man, dass wir von hier bis zur wieder
bewohnten Gegend bei A n g e tk a t in Simen bei dem
Uebergang des hohen Gebirgskammes nur drei Tage unterwegs
geyn würden. Auch hier waren die Baumgruppen der
nähern Umgebung von mancherlei für uns neuen Vögeln
belebt. Es kreisten ausserdem in der Luft ziemlich viele
Lämmergeier (Gypaetus barbatus) von der nämlichen Art,
welche auf Europa’s Hochgebirgen vorkömmt. Namentlich
erwähne ich aber, als von uns hier wahrgenommen, einen
Schwarm weisser Papageien mit rothen Flügeln, die wir
sonst in keiner Gegend Abyssiniens wieder fanden, und
deren Aufenthalt in einer so hohen Gebirgsregion merkwürdig
ist. Diese Thiere — höchst wahrscheinlich der von
Kuhl beschriebene Psittacus Levaillantii — schienen unsere
feindlichen Absichten errathen zu haben, und ermüdeten,
indem sie bald auf das eine, bald auf das andere Ufer des
nur einzelne von einander weit entfernte Fürthen habenden
Stromes flogen, die Geduld meiner sie vergebens verfolgenden
Jäger. #)
Am 30. Juni begannen wir bald in westlicher Richtung
bergauf zu steigen. Alle von hier aus gen Westen liegende
Höhen bestehen aus ächt vulkanischen Felsmassen, und
*) Ich erwähne das Vorkommen dieser Papageien-Art, um eine
übereilte Bemerkung Salt’s (Appendix pag. X LVI.) zu berichtigen,
nach welcher man vermuthen müsste, dass Abyssinien nur eine Art
von Papageien, den P. Tarantae, beherberge. Ich selbst erlegte in sehr
vielen Districten dieses Landes ausser dieser Art den Psit. Meyeri
und Psit. torquatus, und demnach zählt die Fauna von Abyssinien
wenigsten^ vier Arten dieser Gattung.