
einen halben Tag uns aufgehalten hatten, zumal da es nicht
räthlich war, einige meiner Leute nach dem letzteren Orte
zurückzuschicken.
Tackeraggiro, welches aus etwa hundert meist steinernen
Wohnungen bestehet, dürfte etwas über fünfhundert
Einwohner zählen. Diese sind insgesammt Mahommetaner,
und beschäftigen sich grossentheils mit Handel, der sie
abwechselnd nach-Gondar, Derida und Massaua führt; die
Frauen derselben geben sich unausgesetzt mit der Landwirtschaft
und dem Baumwollenspinnen ab. Diese Arbeitsamkeit
zeichnet die Mahommetaner Abyssiniens vor der
christlichen Bevölkerung dieses Landes rühmlichst aus;
das .stete Umherziehen der Ersteren in ferne Provinzen
gibt ihnen ausserdem eine gewisse praktische Gewandtheit,
und sie erhalten dadurch, dass jeder Mahommetaner
seine Söhne lesen und schreiben lernen lässt, noch einen
weiteren Vorzug vor den Christen Abyssiniens. Denn diese
lassen ihre Söhne nur dann, wenn dieselben sich dem geistlichen
Stande widmen, etwas erlernen. Dazu bedarf es
aber weiter nichts, als dass man wenigstens einen Theil
der Bibel lesen kann, indem jedes eigentliche Studium
einem abyssinischen Priester entbehrlich ist. Das Einzige,
wornach der Geistliche strebt, ist, vermittelst einer zusammengebettelten
Summe eine Wallfahrt über Massaua und
Cairo nach Jerusalem zu machen; und diess scheint überhaupt
das höchste Ziel der Wünsche eines Abyssiniers zu
seyn, weil er dadurch nach seiner Rückkehr gleichsam das
Recht erhält, seine wohlhabenderen Landsleute auf die
unverschämteste Art um Geschenke zu bestürmen. Eineu
wohlthätigen moralischen Einfluss haben dergleichen Pil-
grimschaften nicht allein nicht, sondern es sind vielmehr
Heuchelei, Sectengeist und verderbliche Laster meist der
alleinige Gewinn, den die Pilger von der Reise nach
Jerusalem in ihr Vaterland zurückbringen. Uebrigens sind
die abyssinischen Christen nichts weniger als reiselustig;
die meisten«scheinen vielmehr gleich den Insecten mancher
Blüthen für immer an ihren Geburtsort gefesselt zu seyn,
nur Hungersnoth oder die Furcht vor Plünderung macht
sie beweglich, und wer nicht etwa dem Soldatenstahde
sich widmet, lernt von der übrigen Welt sicherlich nur
die benachbarten Mai'ktflecken kennen. Die Trägheit,
welche der Grund dieser Indifferenz und Bewegungsscheu
ist, zeigt sich auch in ändern Dingen als ein Charakterzug
der abyssinischen Christen. Jeder Ackerbautreibende
bestellt nicht viel mehr Feld, als für den Bedarf seiner
Familie nöthig ist, und an ein Aufspeichern von Vorrä-
then ist nicht zu denken. Jede Art von Handarbeit halten
sie, und zwar keineswegs aus dem Grunde, der bei den
alten Griechen den banausischen Beschäftigungen allgemeine
Verachtung zuzog, für etwas Entehrendes; und
daher kömmt es denn, dass ausser dem Handel fast die
ganze Industrie des Landes, bis auf ihre kleinsten Theile
herab, von den Christen verschmähet ist. So wird namentlich
das Gerben des Leders und das Weben baumwollener
Zeuge ausschliesslich durch Mahommetaner, die Silberarbeiten
und die Verfertigung von Waffen beinahe einzig
und allein von eingewanderten Griechen oder egyptischen
Kopten; alle Maurerarbeiten endlich von Juden besorgt.
Zu dieser grossen Unthätigkeit der abyssinischen Christen
mag auch der Umstand mit beitragen, dass sie im Jahre
etwa einhundert und achtzig Feiertage haben, und die
Religion ihnen an zweihundert Tagen das Fasten zur
Pflicht macht.
Die Folgen dieses verschiedenen Verhältnisses der