
Gebliebene einem seiner Bedienten zu geben, worauf
dann gewöhnlich ihm der Hausherr nichts mehr darreichen
lässt. Jeder Gast trinkt in der Regel drei Berille voll
Chamer. Nach und nach entfernen sich Alle, jeder zeigt
aber zuvor dem Hausherrn mit vernehmlicher Stimme seine
Absicht wegzugehen an. Diese Sitte beobachtet jeder
Abyssinier ohne Ausnahme, auch wenn er einen Besuch
abstattet, und sie soll desshalb gebräuchlich seyn, damit
der Hausherr beachten könne, ob nicht vielleicht der Weggehende
oder einer seiner Diener etwas diebischerWeise
mit sich nehme. Es fiel mir auf, dass hier der Gebrauch,
vor und nach dem Essen Wasser zum Händewaschen darzureichen,
nicht eingeführt ist. Die Gäste, welche zuerst
an der Tafel Platz nahmen, bedienten sich am Ende der
Mahlzeit eines dünnen Brodes, um sich damit Hände und
Mund abzuwischen; und die nach ihnen ihre Sitze Einnehmenden
verzehrten unbedenklich und mit sichtbarem Wohlgeschmack
die dazu verwendeten Stücke Brod.
Bald hätte ich vergessen zu erwähnen, dass während
der Mahlzeit das Leibpferd und das Lieblingsmaulthier
des Hausherrn wiehernd von der Weide in den Speisesaal
gelaufen kamen, und zu meinem Erstaunen in demselben
Zimmer angebunden wurden, uro hier zu übernachten.
Auch eine andere Scene, die während des Gastmahls vorfiel,
weicht sehr von unsern europäischen Anstands-Be--
griffen ab; als nämlich Seine Excellenz den Gouverneur ein
natürliches Bedürfniss ankam, liess er von einigen Bedienten
ein Tuch vor sich halten, und gab dann dem Urin freien
Lauf. Dinge der Art sind bei den Abyssiniern allgemein,
ja selbst in der vornehmsten Gesellschaft gebräuchlich. #)
*) In Gondar, wo bei Trink-Orgien der vornehmsten Gesellschaft
beide Geschlechter untermischt beisammen sitzen, pflegt fortwährend
Das von mir dem Gouverneur überbrachte Geschenk
bestand in einem grossen Stück vom feinsten Scharlachtuch;
er untersuchte es in Gegenwart aller Anwesenden sehr
genau, und mass die Länge desselben mehrmals, um auch
gewiss zu seyn, dass ein vollständiger Mantel nach der
Landesmode (Bournus) daraus gefertiget werden könne.
Seine ganze Danksagung bestand darin, dass er versicherte,
die Qualität des Stoffes sey gut und das Geschenk ihm
wohlgefällig, und dass er mir einen Topf Honig als Gegengabe
überreichte. Diesen gab er einem Diener, um ihn
in meine Wohnung zu bringen, nachdem er sich und mich
überzeugt hatte, dass der Topf bis zum Rande voll sey,
und auch das Innere nicht etwa trügerischer Weise vielleicht
bloss Wachs enthalte. So grosses Misstrauen hegen
die meisten Menschen in Abyssinien fortwährend gegen
einander.
Am folgenden Morgen (8. Juli) machte ich in aller
Frühe mit Getana Meriam dem Gouverneur einen Besuch,
um ihm den eigentlichen Zweck meiner Herreise anzugeben,
das heisst um ihm zu erklären, dass ich die Regenzeit
über in Simen zu bleiben beabsichtige, um wo möglich
von allen in der Umgegend wild vorkommenden Thieren
einige Exemplare einzusammeln, da sich in meinem Vaterlande
ein Palast befände, in welchem von allen Geschöpfen
der ganzen Erde je ein Paar ausgestopft aufbewahrt wurde,
um so eine Art von Arche Noah’s darzustellen. Dieser Grund
meiner Herreise schien allen Anwesenden genügend vorzukommen;
nur wunderten sie sich, dass die Thierwelt bei
uns im Allgemeinen von der ihrigen so sehr verschieden
eine Art Nachttopf zu circuliren, damit die Gesellschaft, bei dem reichlichen
Genuss des Hydromel, in Folge der harntreibenden Eigenschaft
dieses Getränks nicht gestört werde.