
gegen plötzliche Regengüsse und Schneegestöber einiger-
massen zu schützen; man nennt diese sonderbare Körperbedeckung
Gassa. *)
Am 1. Juli war die Lufttemperatur bald nach Sonnenaufgang,
bei ganz heiterm Himmel, nur 6V20 Reaumur;
das Wasser einer benachbarten Quelle hatte 10° Wärme.
Die, freilich wegen ihrer Kleiderlosigkeit der Kälte sehr
ausgesetzten Abyssinier konnten desshalb nicht zum frühzeitigen
Aufbruch vermocht werden; alle wollten abwar-
ten, bis die wärmende Sonne beträchtlich hoch stehe. Die
Höhe des Bergpasses Selki, ein wildausgezackter vulkanischer
Felskamm, über dessen Joch wir ziehen mussten,
lag westsüdwestlich, und die Entfernung dahin betrug in
gerader Richtung nicht einmal ein und eine halbe Stunde;
aber unser Weg machte einen starken Bogen nach Süden
zu, um einer tiefen, vom Abana durchflossenen Gebirgsschlucht
auszuweichen, durch welche dieses Wasser von
dem südöstlich von unserm Lagerplatz gelegenen A bba-
Jaret-B erg herabrauscht. Kurz nach unserm Aufbruch
stürzte ein Maulthier eines der Handelsleute mit seiner
Ladung den Bergabhang in eine Tiefe von mehr als hundert
Fuss hinab; es blieb zwar, wunderbar genug, fast
unbeschädigt, verursachte aber durch seinen Fall einen
langen Aufenthalt. Diess und der Umstand, dass unmittelbar
darauf dicke Nebel mit kaltem Regen aus den Thälern
emporstiegen, nöthigte die Karavane, nachdem wir kaum
dreiviertel Stunden Wegs zurückgelegt und den Abana
zum letzten Mal passirt hatten, für heute das Besteigen
des Selki-Berges aufzugeben. Es regnete einen grossen
Theil des Nachmittags, und alle höher liegenden Stellen
*) Siehe die eine Figur auf Tafel 6.
wurden mit Schnee bedeckt; dadurch erhielt denn die
ganze Gegend ein äusserst unfreundliches und unwirthbares
Aussehen.
Der Schnee lag am 2. Juli in der Frühe an den Bergwänden
beträchtlich tiefer als am vorhergehenden Tage.
Ich drang vergebens auf recht frühen Aufbruch, weil mich
die Erfahrung gelehrt hatte, dass die hohe Region, in der
wir ‘uns befanden, in dieser Jahreszeit täglich mit der
Mittagsstunde von Nebel und Regen heimgesucht wird;
erst um acht Uhr setzte sich die Karavane in Bewegung,
um den Selki-B erg zu ersteigen, wovor allen
Abyssiniern bange war. Der beinahe ganz verwahrloste
Weg, welcher eine südwestliche Hauptrichtung hatte,
machte fortwährend viele Krümmungen; viele Stellen desselben
waren im schlechtesten Zustande und wegen steiler,
glatter Felsmassen sehr gefahrvoll. Nach vier mühevollen
Stunden gelangte ich mit dem Vortrab der Karavane auf
die Höhe des Gebirgspasses. Diese bestehet in wild zerklüfteten,
senkrecht stehenden Schichten von porphyrartiger
Lava, zwischen denen ein schmaler Durchgang sich öffnet,
und hat, einige mit etwas Gras und Flechten bewachsene
Stellen abgerechnet, keine Spur von Vegetation. Sie ist
nach meinen weiter unten angeführten barometrischen Messungen
mehr als zwölftausend französische Fuss über der
Meeresfläche erhaben. Bis hierher waren die Soldaten des
Sabagadis im Januar 1831 vorgerückt, als die Nachricht
von Ras Maria’s Zug über den Lamalmon in der Richtung
von Schire sie zum Rückzug nach jener Gegend veran-
lasste *). Der Pass über den eigentlichen Gebirgskamm
ist ganz kurz, indem das Bergjoch äusserst scharf ausläuft.
*) Siehe oben pag. 273. 26*