Eine solche Gebirgs-Erhebung ist nun nichts Anderes
als ein Erdbeben im gröfsteu Maasstabe, daher ich
die Reihe solcher Erscheinungen billig mit der grofsen
Fluth beginnen lasse.
Man hat versucht die Vorstellung von mehreren Fluthen,
die sich in verschiedenen Gegenden ereignet haben sollen,
aus ihrer ursprünglich mythischen Form in eine historische
zu bringen und selbst ihre Epochen zu bestimmen.
Als die älteste nächst der Noachischen nimmt man an
die grofse Ueberschwemmung, die sich im nordwestlichen
Theile von China ereignet hat: die F lu th des Yao
genannt. Man glaubt sie in das Jahr 2297 v. Chr. setzen
zu können 1).
Sodann die sogenannte O gygische F lu th , die
von Einigen in das Jahr 1987 gesetzt wird. Man hat sie
immer als die Folge eines Erdbebens angesehen, und ihr
unter anderen Wirkungen den Durchbruch des T h ra c i-
schen Bosporus zugeschrieben, vor welchem Durchbruch
das S chw arze M eer, aufser Verbindung mit dem
von Marm ora und dem A rch ip elag u s, als ein gesonderter,
doch vielleicht mit dem C asp iseh en verbundener
Landsee bestanden haben soll. Auch den Durchbruch
des P eneus zwischen 0 s sa und O lym p, und
das Trockenlegen des Thaies T em pe hat man als eine
Wirkling dieser Naturbegebenheit betrachten wollen. Indessen
herrscht über diese Fluth das tiefste Dunkel; einige
Schilderungen derselben geben ihr Aehnlichkeit mit der
Noachischen, auch die Erzählung, dafs O gyges auf der
Fluth geschifft sey 1 2).
1) Schenn-Yu~Bei-Dsehenn-Y. Inschrift des Yu; übersetzt v.
J. v. Klaproth. Halle 1811. — Ritter Erdkunde, n. Aufl.
Th. II. S. 158 f.
2) Buttmann üb. den Mythos der Sündfluth 2. Ansg. Berlin
Die dritte in eine historische Thatsache umgewandelte
Sage dieser Art ist die von der D eucalionischen
F lu th , die man in das Jahr 1604 setzt, und ihr, statt
der Ogygischen, den Durchbruch des Bosporus, ja selbst
der Meerenge von M essina zuschreiben möchte. Von
diesem Ereignisse finden wir den Mythos nirgends in einiger
Vollständigkeit. Die Quellen der Ueberlieferung davon
sind Apollodor, Lucian und PlutarcJi !).
So haben O st-A sia, W est-A sia, die Umgebungen
des Schw arzen M eeres und G rie c h e n la n d
ihre Sagen von grofsen Ueberschwemmungen; und bei
dreien dieser Sagen tritt der Umstand ein, dafs die Völker,
bei welchen sie herrschen, ihre Geschichte mit diesen
Ereignissen anfangen. Nur die grofse Fluth in China
macht hiervon eine Ausnahme. Diese scheint eine wirklich
historische Thatsache zu seyn, durch Denkmale verewigt,
und in die Geschichte des Landes eingeschrieben. Eine
natürliche Veranlassung derselben aber, welche von geologischer
Bedeutung wäre, wird uns nicht überliefert.
Die Art, wie die Sagen von den drei anderen Fluthen
gebildet und fortgepflanzt worden sind, und die Umstände,
welche diese Sagen davon angeben, machen in hohem Grade
wahrscheinlich, dafs man nicht durchaus genöthigt ist,
an drei in verschiedenen Gegenden und in verschiedenen
Zeitpuncten erfolgte Fluthen zu glauben. Mehr hingegen
1799. S. 48. sagt: „die zwei einzigen Stellen, welche ein
Wort hievon (von der Beschiffung der Fluth)' sagen, sind
ein Bruchstück aus dem Chronologen Julius Africanus bei
Eusebius (Praep. Ev. 10, 10.) und bei Syncellus (p. 63),
wo er sagt: „„O gygos, von welchem die erste Fluth den
Namen habe, aus welcher er, während eine Menge umka-
men, gerettet worden, habe zurZeit von Moses Ausgang gelebt^
; u. folgende Verse des Nonnus (Dionysiaca 3. p. 96):
Slyvyog rjXißuzoio Si vScezog cei&sgoe zspvcov,
yfioiv ozs nsi'&szo ttc cgc c Y . a z ä ^ v z o g . n 1) Buttmann a. a. 0. S. 30 f.