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zwei B ew egungen des M eeres, die, jede, sich als
eine weit fortschreitende Welle darstellte.
Das eigentliche E rd b e b e n , zu welchem ich auch
die in verschiedenen zum Theil sehr weit von dem Hauptsitze
der Entladung entfernten Landseen entstandene Bewegung
rechne, hat sich zwar auch sehr weit hin, aber
doch nicht auf eine so grofse Entfernung geäufsert, als
die später erfolgte M eeresbew egung.
Der am weitesten gegen Westen gelegene Punct, von
welchem bekannt ist, dafs daselbst E rd stö fse empfunden
worden sind, ist die Insel M adeira; der östlichste,
wo man Wirkungen des Erdbebens, doch ohne Erschütterung
des Bodens wahrgenommen hat, ist T ep liz in
B öhm en; der südlichste M ogador (Swearah) in Ma-
rocco und die nördlichste Gegend die einiger Landseen
in S ch o ttlan d und N orw egen.
Der Punct, von welchem das Erdbeben ausging, lag
wahrscheinlich unter dem Grunde des A tlan tisch en
O cean s, nahe an der westlichen K üste von P o rtu g
a l, oder, wenn auch weiter südlich, doch ungefähr in
dem Meridian derselben; denn in der Richtung dieses Meridians
hat es die heftigsten Wirkungen hervorgebracht,
die gegen West und Ost von demselben mit der zunehmenden
Entfernung an Stärke abnahmen.
Von der dem Erdbeben vorhergegangenen Beschaffenheit
der Atmosphäre in den Küstengegenden P o rtu g als
wird Folgendes berichtet. Seit dem J. 1750 war weniger
Regen, als gewöhnlich, aber im Frühling* 1755 desselben
desto mehr gefallen. Der Sommer von 1755 war ungewöhnlich
kühl. Am 31. October wehte Nordwind. Vier
Uhr nach Mittag kam ein Nebel vom Meere her und bedeckte
die Thäler; eine Erscheinung, die zwar im Sommer
dort für eine gewöhnliche gilt, in der damaligen Jahreszeit
aber eine sehr seltene seyn soll. Darauf erhob
sich Ostwind, und der Nebel wurde nach dem Meere zurückgetrieben
, auf welches er sich sehr dick legte. Das
Meer stieg dabei mit gewaltigem Brausen. Um Colayes,
zwanzig engl. Meilen nördlich von L issab o n , vertrockneten
an diesem Tage mehrere Quellen; andere dagegen
warfen stärker Wasser aus. Um die Mitternachts-Stunde
nach diesem Tage will man in L issabon schon ein leichtes
Beben empfunden haben J).
Am 1. November erfolgte zu L issab o n u. s. w.
zwischen 9 U. 30 Min. und 9 U. 40 Min. Morg. der erste
Erdstofs. So wird die Zeit von mehreren Orten der Küste
angegeben. Der frühere (9 U. 30 Min.) von O porto und
Cola re s, der spätere (40 Min.) von Lissabon. Die
verschiedenen Zeitangaben beruhen wahrscheinlich auf Unrichtigkeit
des Ganges der Uhren, und wahrscheinlich empfanden
alle diese Orte den Stofs fast in demselben Augenblicke
; denn selbst bei entfernten Orten, wie Cadiz,
M adrid u. s. w., ja bei den allerentferntesten, wie T ep liz,
giebt die am Orte gemachte Zeitbeobachtung, wenn
man sie nach dem Unterschiede der Länge von L issabon
auf dortige Zeit bringt, dieselbe Minute an, in welcher
das Erdbeben an beiden Orten empfunden worden ist.
Vor dem ersten Stofse hörte man ein rollendes Getöse
wie von Wagen, zunehmend bis zur Stärke des Kanonendonners.
Die erste Erschütterung dauerte sechs Se-
cunden, und durch diese wurden gleich die meisten und
gröfsten Gebäude in Lissabon zertrümmert. Ihr folgten
sehr schnell ein zweiter und dritter Stofs. C olares litt
weniger, O p o rto fast gar nicht; aber F a ro , S etu v al
und C ascaez litten sehr, und fünfzig Leagues westlich
von L issabon empfand ein Schiff im Ocean den Stofs; 1
1) Coli. acad. T. VI. S. 628.