zwischen Himmel und Erde ankündigen, und das lockende
Spiel mit denselben und ihren lebhaften Augen verzeiht man
ihnen weit lieber, als das überfromme Gebahren der Priester,
die, üm aus ihrer stillen Andacht ja kein Geheimniss zu
machen, ein Brevier, einzelne möglicherweise so ihre ganze
Religion unter dem Arme tragen. Sonst beschäftigte ich mich
am meisten mit» den Veränderungen in der Pflanzenwelt, und
um so lieber, je weiter ich gegen Mittag vorrückte. Südlich
vom seidenen Lyon beginnen billig die reichen Maulbeer-
pflanzungen, die eine wahre Augenweide darbieten, und ihnen
folgen dann, vor Sorgue, die Ölbäume, deren Aste einen freundlichen
Verein von einem Busche bilden, während die nicht
selten vorkommende, der Gegend einen eigentümlichen Charakter
verleihende Pappel gleichsam mit Trotz in die Lüfte
emporsticht. Es kommt natürlich auf den Liebhaber an,
was man dem Auge mehr wünscht —. einen Bauer, der mit
einem einspännigen Pfluge ohne Räder ackert, oder, statt
der Männer, Eisenbahnwärterinnen, gar dienstbeflissene
Frauen, die, die mehrsten etwas dunkle und eher kleine
Figuren, wenn auch, wider unser Erwarten, selten mit weiblicher
Anmuth, selten mit jener französischen Leichtigkeit, Innig-
und Sinnigkeit in Gebärden, doch oft, ein Kind auf dem
Arme, mit wahrhaft einnehmendem mütterlichen Hochgefühle
auftraten.
Sonntag am 18. Oktober zog ich in den schwimmenden
Palast, den Euphrat, ein Schraubendampfschiff mit drei-
hundertundfünfzig Pferdekraft, unter Botmässigkeit des Kapitäns
Aubre. Die herrliche Lage Marseille’s mit manchen
merkwürdigen Gebäuden, ihren regsamen Bewohnern und den
reichen Erinnerungen wäre *wol geeignet, den Fremden länger
zu fesseln — und dennoch ging ich gern an Bord. Mit dem
Wanderstab in der Hand möchte man der Zukunft voraneilen,
und in dieser fast unbändigen Lust kann das Bleiben
selbst da, wo.es süss sein sollte, sauer werden. Die Kunst,
die Gegenwart zu gemessen, ist so wenigen Sterblichen gegeben.
Mit Freude sah ich den Rauch aus beiden Kaminen
immer dichter emporwirbeln, und mit noch mehr Freude
f fühlte ich endlich, % Uhr Vormittags, aber kaum merklich,
[ die Schraube in Bewegung. Marseille verschwand — u n d
[ die Möglichkeit, das Reisevorhaben bis Malta, wenn auch
I tausendfältige Reue es rückgängig machen möchte, zu ändern.
I Des Schicksals Ketten'waren freiwillig angelegt, die Niemand II lösen dürfe als der Befehlshaber des Fahrzeugs; sie sind
i| freilich weit minder hart und drückend als jene, in die man
durch Willen und Macht eines Ändern geworfen wird. Im
_f Anblicke der zahlreichen Gesellschaft fröhlicher Menschen, sogar beim Anblicke unseres lebendigen Mundvorrathes, der
Hämmel und Hühner, dachte man kaum mehr an den Verlust
der Freiheit. Im Osten nahm Frankreich durch seinen Ver-
| treter in Toulon, die Festungswerke, Abschied.
19. Oktober. Links erblickte man beim Erwachen das
| sehr unebene, wenig einladende Eiland Korsika und rechts
in grösserer Entfernung Sardinien mit sanftem Umrissen.
Die Linie Marseille-Alexandrien wird stark besucht, und
darum kann es nicht fehlen, dass die bunte Gesellschaft auch
; ihren angenehmen Wechsel darbietet, und auf sie muss ich
s doch einige Lichtstrahlen fallen lassen. Unter den Reise-
[ geführten that sich der Sohn des Vizekönigs in Ägypten, des
[ Said Pascha, unser To s s u n P a s c h a , hervor. Der Knabe,
i noch nicht vier Jahre alt, mochte etwa drei Fuss hoch sein
I und hatte ein leichtes Wangenroth unter schönen schwarzen
l Kopfhaaren. Zwischen den lieblichen schwarzen Augen bildete
!< die spitze, etwas aufgeworfene Nase nicht den schönsten Theil
des Antlitzes. Ein rother Tarbusch, ein burnusartiger Überj
wurf über einem grünen Röckchen, blaue Pluderhosen und
I fränkische Schuhe — so gekleidet sah man ihn lebhaft herum-
| gehen und spielen, auch mit ändern Kindern und nicht ein-
| mal in herrischer Stellung. Aussehen und Benehmen waren
r in der That sehr lieblich, und man will behaupten, dass der
Knabe viele geistige Anlagen besitze, die sich übrigens im
Gesichtsausdrucke nicht besonders verrathen. Man rühmt an
ihm ebenfalls, dass er arabisch, türkisch und englisch spreche.
Das Körperlein ist wenigstens schwächlich, und man dürfte