Wir stiegen von Fokin aus das von NO. herabfallende,
immer noch fruchtbare Thal hinauf. Zuletzt. bildet es oben
eine Gabel, nach Aufnahme eines Nebenthals von OSO. her;
ein Theil dieser Gabel streicht gegen NO., ein anderer nach
NNW. Wir wendeten uns in letzteren Thalzweig und erreichten
2 U. 43 Min. den Anfang des Thaies und 2 U. 50
Min. die Höhe der Wasserscheide. Von hier aus sieht man
El-Hosän 0. 10° S., Chirbet Som ^ N. 35° W., im
W. einen gar schönen, in die Augen stechenden Triangel,
welcher zuerst niedriges Hügelland mit der Spitze gegen
uns, dann ein Band Ebene, darauf ein anderes, längeres von
Meer einrahmt. Von Chirbet Som erzählte man, dass dort
eine christliche Kirche gestanden habe. Um 3 Uhr ver-
liessen wir diesen Standpunkt, mit der von einem Araber
gebrachten Nachricht, dass in Bethlehem eine Fehde ausgebrochen
sei. Bald durchkreuzten wir den obern oder nördlichen,
nach Bet Dschibrin führenden Weg. 3 U. 10 Min.
ging’s in nördlicher Richtung abwärts, nun im Anblicke von
Ras Abu Ammar N. 15° W. 3 U. 14 Min. erreichten wir ein
pflügerbelebtes Thal, welches zuerst NW., dann als enge
Schlucht N., darauf, südlich neben Ras ABu Ammär, wiederum
nach NW. zieht. 3 U. 24 Min. traten wir in die malerische
süd-nördliche Schlucht, auf deren Ostseite ich eine
Grabhöhle untersuchte. Da ist ein Vordach ausgehauen;
dann führt ein niedriger, viereckiger Eingang von West nach
Ost in eine kleine Kammer mit einer Bank ringsum, d. h.,
mit drei 6 ' langen Bankgräbern. Auf der Südseite dieser
kleinen Kammer bemerkt man noch eine kleine, nicht sehr
künstlich ausgehauene Nebenhöhle, etwa ein Kindesgrab.
Diese Höhlen verliessen wir 3 U. 32 Min., und 3 U. 35 Min.
erreichten wir auf der gleichen Seite oder an der nämlichen
I eiswand eine Quelle, Ain Dschüfer Sun, und weiter unten am
Wege schwitzt die Felswand Wasser. 3 U. 40 Min. kamen
wir zu einer grossen Quelle, welche ein Bächlein bildet.
Wenn man nun links in das schmale Thal hinabblickt, kann
man nicht genug die Schönheit und Fruchtbarkeit rühmen.
Ich trank wahrhaftig in vollen Zügen aus dem Becher des
Entzückens. Ein Bauer schlug mit einer Stange Zitronen
herunter. Überhaupt ist der Karakter dieser Gegend und
von Räs Abu Ammär ganz eigenthümlich, so eigentlich pittoresk.
Als am Abende die Herden, Ziegen und Schafe mit
Glöckleingeläute anlangten, träumte ich von etwas Idyllischem.
3 U. 45 Min. langten wir in R ä s A b u Ammä r
jU c 428 an. Wir kehrten bei einem mehr oder minder
vermöglichen Bauer aus der Bekanntschaft meines-Dolmetschers
ein. Ein kleiner Knabe trug um die rothe Mütze und
zudem an einer von dieser hinten herabhängenden Silberkette
eine Menge Münzen, und ich theilte freilich nicht den
Geschmack an solchem Flitter 429. Diesmal wurde ich in
ein besseres Haus aufgenommen, und alles sagte etwas mehr
zu. Abends hörte ich sogenannte Fantasie. Der Bursche
im Hause, als er merkte, dass ich der Musik viel Aufmerksamkeit
schenkte, lud mich ein mitzugehen. Ich war natürlich
nicht so spröde und auch nicht so furchtsam, dass ich
die Einladung ablehnte, und ging mit ihm am Mondesscheine
hinan auf den freien Platz, wo die Belustigung stattfand.
In der Mitte loderte ein Feuer; ringsum hockten Buben und
rauchende Männer, etwas weiter weg ein Haufen Weiber.
Unten standen an dem kleinen Kreise zwei Reihen Männer.
D ie sangen, einander antwortend, fast immer das Gleiche
und einstimmig, indem sie von Zeit zu Zeit mit den Händen
klatschten und mit einander zumal eine Bewegung des Leibes
jetzt rechts hin, dann links hin machten, darauf, einen
Fuss herausstreckend, sich tief verbeugten430. So komisch
war für mich der, so zu sagen, stabile Tanz, dass ich beinahe
lachen musste, wenn zugleich die leidenschaftlichen
Gesichter im Feuer erglänzten. Dazu schalmeiete bisweilen
ein Kerl, doch minder lieblich als der Hirte, den ich heute
aus dem nahen Thale hörte. Das Freudenfest galt einer
Braut. Bei uns kennt man keine grosse Freude ohne ein
geistiges Getränke, das so oft den mit Vernunft und freiem
Willen Begabten entmenscht, und ihn zum Spielballe des
Lasters macht. Und hier lebt man ohne die künstliche
Tobler, Palästina. ^