bereitete mir diesen Abend einige Verlegenheit. Er wünschte
natürlich lieber im Dienste eines grossen als kleinen Herrn
zu stehen, und in diesem Hoheitsgefühl legte er meinem
von ,Konstantinopel erhaltenen und mit der Namenschiffre
des Sultans versehenen Ferman eben keinen geringen Werth
bei, und scheint deshalb tüchtig in die Posaune gestossen zu
haben. Da kam der Chattib des Dorfes zu uns und theilte
meine Mahlzeit. Statt dass ich nach morgenländischer
Weise Gast w a r, richtete es der feine Bethlehemer so ein,
dass ich ganz neue Begriffe von morgenländischer Gastfreundschaft
bekommen sollte. Juhanna stellte mir, wenn
nicht gerade die Nothwendigkeit, doch die Thunlichkeit vor,
meinen Ferman auszupacken. Der Chattib la s , noch vor
dem Abendessen, denselben, besah unten die Namenszüge des
Padischah und drückte diese mit Ehrfurcht an die Stirne.
Wenige Beamte auf dem Lande verstehen jedoch türkisch,
.und so würde man gut thun, wenn man für diese Gegend
einen türkischen Schutzbrief durch eine beglaubigte Person
ins Arabische übersetzen liesse, oder einen solchen unmittelbar
vom Pascha der Provinz, durch die man reiset, auswirkte.
Donnerstag, 26. November. Ich finde es bemerkenswerth,
dass die Leute im Hause so wenig schlafen. Sie waren
gestern etwa bis 11 Uhr auf, und schon Morgens etwa 4 Uhr
hörte ich das. Geschnirr und Geschnarr der Handmühle.
Wie wonnevoll ist es, Morgens in der Frühe, da es noch
Nacht ist, den schweren Mühlstein treiben und die genügsamen
Frauen dazu absatzweise singen zu hören, bis die
heimliche Taube mit ihrem friedlichen Girren sie ablöset!
Was doch der Mann der fleissigen Frauenhand verdankt!
Die Familie besteht aus einem fast blinden Greise, einer altem
verwandten Wittwe, zwei jüngern kräftigen Söhnen und
ihren heitern Weibern; schade, dass die eine sonst liebliche
Frau einäugig war.
Das Dorf 349 liegt unter 31° 36' nördlicher Breite und
34° 56' östlich von Greenwich 35°. Von NW. nach SO. in
ziemlicher Länge sich etwas hinaufziehend, stellt es sich
recht freundlich auf einem Hügel, doch mehr auf dem Nordhang
oder beinahe in dem Grund einer Thalweitung; der vielbesuchte
Brunnen ist ein paar Minuten mittagwärts. Die Aussicht
ist ziemlich beschränkt, weil ringsum nahe Hügel oder
Anhöhen, auf der Ostseite höhere und auf den übrigen Seiten
niedrige, den Teil Santa Hanneh besonders nicht zu vergessen,
den weitern Ausblick hindern. Die Ebene und das
Meer sucht das Auge umsonst. Das Dorf besteht aus einer
südlichen (obern) und nordwestlichen (untern) Abtheilung.
In jener zeichnet sich die Wohnung des Kreishauptmanns
al's ein ziemlich grösser Würfel aus. Sonst sind die Häuser
armselig, von schwärzlicher Farbe, plattdächig und schlecht
gebaut. Viel ältere Bausteine wurden zu den neuen elenden
Hütten verbraucht. Nördlich steht über einer Ost-West
streichenden Thalmulde das sogenannte Kastell, das beste
Stück der vielen Ruinen, die mir bisher in Palästina, wenn
ich jene von Askalän abrechne, als die beträchtlichsten und
natürlich auch sehenswerthesten vorkamen. Das Südgewölbe
oder die Halle des Kastells hat, wie auch die Ansicht nach
meiner Zeichnung hier zeigt, noch vier stehende Spitzbogen,
die von korinthischen Säulen, aber einem Flick werke, gestützt
sind; denn die Schäfte empfehlen sich in der Regel
durch grössere Schönheit und höheres Alter, während ein
paar Knäufe nachgepfuscht erscheinen. Dieses von Ost nach
West längliche, ziemlich hohe. Gewölbe heissen die Bet-
Dschibriner Keniseh (Kirche) 351. Ich entdeckte indessen
keine Spur von einer Kirche, bei aller Möglichkeit, dass
dieses Gewölbe oder ein anderes in der Nähe die Burgkapelle
der Kreuzfahrer war. Nördlich erhielt sich noch ein